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Politik: Heimlich ist unheimlich

Von Jost Müller-Neuhof

Wer in einer heterosexuellen Gemeinschaft lebt, Kinder hat und Streit sucht, sollte mit seinem Partner über heimliche Vaterschaftstests diskutieren. Die Positionen sind ebenso vorhersagbar wie festgefügt. Frauen sind dagegen, Männer dafür. Wenn Brigitte Zypries jetzt vorschlägt, diese Tests doch recht empfindlich zu bestrafen, hat die Justizministerin also weniger mit der Opposition, politischen Argumenten oder den Tücken des gentechnischen Fortschritts zu kämpfen als vielmehr mit dem anderen Geschlecht, dem Mehrheitsgeschlecht – nicht in der Bundesrepublik, dafür aber, mit Abstand, im Bundestag.

Das macht es für sie nicht einfacher, zumal sie ihren Furor über die angebliche Perfidie der Männer zielgruppengerecht in einer Frauenzeitschrift ausgoss und dem Ganzen einen lila Anstrich gab. Jetzt wird Zypries den angezettelten Geschlechterstreit ausfechten müssen. Doch das Thema betrifft letztlich Frauen und Männer gleichermaßen. Es geht um die Frage, wie, wofür und wann genetische Daten genutzt werden dürfen. Eine Diskussion, die noch am Anfang steht, die aber in diesem Jahr, wenn das Gendiagnostikgesetz beraten werden soll, erheblich an Fahrt gewinnen wird.

Aus dieser Perspektive ist der heimliche Vaterschaftstest vor allem eines: ein tiefer Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Menschen. Wessen genetische Datensätze machen wir zu welchen Zwecken in Zukunft verfügbar? Wer soll in unserem Erbgut lesen dürfen? Versicherer? Arbeitgeber? Staatsanwälte? Und was und wen wollen wir absolut schützen? Es gibt keine fertigen Antworten, die Gesetzgebung kann hier nur nach dem Prinzip Trial and Error funktionieren – und im Zweifel für den Grundrechtsschutz eintreten.

Gewiss, vor allem nichtverheiratete Männer haben ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob das Kind, für das sie zahlen und nach jüngsten Urteilen immer mehr zu zahlen haben, von ihnen stammt. Nur ändert das nichts an dem Befund, dass hier ein Mensch das Erbgut eines anderen ohne dessen Wissen und Willen einer Analyse unterzieht. Es ist richtig, da Hürden aufzubauen, weil die DNA – anders als der genetische Fingerabdruck bei der Strafverfolgung – zur innersten Persönlichkeit zählt, selbst wenn es noch eine kleine Persönlichkeit ist und „nur“ über die Abstammung Auskunft gegeben wird. Vätern, die Sicherheit haben wollen, ist der Rechtsweg zuzumuten – dass sie auf Zustimmung zu einem offenen Vaterschaftstest klagen. Wenn wir mit der DNA irgendwann einen entspannteren Umgang pflegen und jeder seine Disposition zu Krankheiten weitergibt wie seine Handynummer, wird man auch heimliche Tests wieder erlauben. Aber erst dann.

Man darf es deshalb gelassen sehen, wenn nun politisch auf Zypries eingedroschen werden sollte, weil sie mit weiblichem Einschlag Vorwahlkampf macht zu einer Zeit, in der Hartz IV noch nicht wirken kann und das populäre Bildungsthema für den Kanzler wieder in föderale Ferne gerückt ist. Es riecht auch nach moralischer und damit symbolischer Gesetzgebung, wenn die Justizministerin erst die Diskriminierung als solche per Paragraph unmöglich machen will und sich nun als Frauenrechtlerin und Hüterin der Kindes-DNA aufführt. Doch macht sie nur ihren Job: beim Antidiskriminierungsgesetz eine EU-Richtlinie umzusetzen und bei den heimlichen Vaterschaftstests Grundrechte wirksam zu schützen. Und weil sich bei den Tests schon eine florierende Branche entwickelt hat, ist sie eher zu spät dran als zu früh.

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