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Die wichtigsten Ampel-Männer: alle unterschiedlich mächtig

© imago/photothek/Florian Gaertner

Heizungsstreit in der Ampel: Wenn Führungsschwäche zur Regierungskrise wird

Die Ampel regiert lauter und kontroverser als die Merkel-Regierungen. Das liegt vor allem an den drei Ampel-Männern Scholz, Habeck und Lindner. Eine Analyse.

Für Kanzler Olaf Scholz (SPD) muss die Welt vor zwei Monaten heiterer gewirkt haben. „Der Stillstand der letzten Jahrzehnte, den wir konservativen Politikern zu verdanken haben, ist endgültig beendet“, sagte er Ende März bei einer Regierungserklärung. Gerade erst hatten die Ampel-Partner von SPD, Grünen und FDP ihren rund 30-stündigen Koalitionsausschuss-Marathon hinter sich gebracht.

Er sollte der Befreiungsschlag sein. Doch die Verhakungen der Regierung haben sich nicht gelöst, im Gegenteil, sie sind im Streit um das Heizungsgesetz schärfer geworden. Vor achteinhalb Wochen befand SPD-Chef Lars Klingbeil, man dürfe so lange zusammensitzen, wenn man danach „die Garantie“ habe, dass Dinge „schneller geregelt“ würden.

Nun wirkt es, als bräuchte es eine neue Befreiung. Den Anfang machte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), als er in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe einlenkte und neue, weichere Kompromisslinien zog. Er wolle das Gesetz „besser machen“, sagte er.

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Scholz, sein Vizekanzler Habeck und Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sind maßgeblich für die Ampel verantwortlich. Sie eint, dass sie schwierige Führungsaufgaben haben – und dabei an ihre Grenzen gelangen. Einer hat zu wenig Macht, ein anderer zu viel. Sie können oder wollen nicht durchsetzen, dass die Regierung reibungslos läuft. Diese Führungsschwäche ist eines der zentralen Probleme der Ampel-Koalition.

Welche Auswirkungen das haben kann, zeigt sich beim Streit um das Heizungsgesetz, der zwischenzeitlich zur schlimmsten Regierungskrise seit Ampel-Antritt zu werden drohte. Noch immer ist das Gesetz nicht in der parlamentarischen Beratung angekommen, obwohl im Beschluss des Marathon-Koalitionsausschusses schriftlich festgehalten wurde, dass es vor der Sommerpause verabschiedet werden sollte.

Woran aber liegt die Führungsunlust der drei Männer?

1. Olaf Scholz – der Moderator

Eigentlich soll Olaf Scholz die Regierung führen. Doch im Heizungsstreit hat Scholz wieder einmal erst eingegriffen, als es schon fast zu spät war. Zwei Tage lang tobte in seinen Regierungsreihen die Entrüstung darüber, dass die FDP die Befassung des Bundestages mit dem umstrittenen Heizgesetz verweigerte. Das war keine kleine Geschäftsordnungsfinte oder eine Grätsche in Richtung Grüne, sondern eine klare Kampfansage an den Kanzler.

Es ging gegen seinen Kompromiss. Anfang der Woche schien der ausgehandelte Zeitplan für das Heizungsgesetz plötzlich unmöglich geworden zu sein, der Bundeskanzler stand als durchsetzungsschwach da. Fast schon genüsslich konnte Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) von der Vertrauensfrage sprechen, die der SPD-Kanzler stellen müsse.

In Koalitionskreisen haben sie erst dann bemerkt, „dass nun viel mehr auf dem Spiel stand als das Heizgesetz“. Im „Vorkabinett“, der eigentlichen Kabinettssitzung vorgeschaltet, hat Olaf Scholz seine Ministerriege am Mittwoch vergangener Woche dann wohl doch zurechtgewiesen. In Regierungskreisen ist davon die Rede, dass der Kanzler Kompromissbereitschaft angemahnt und eine Diskussion über mögliche Auswege aus der sich anbahnenden Regierungskrise angestoßen habe.

Wirtschaftsminister Habeck, Bundeskanzler Scholz: Führung als Moderationsaufgabe

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Glaubt man dieser Darstellung, sind die moderateren Töne der FDP in den Tagen danach und die Kompromissvorschläge von Habeck vom Freitag auf Scholz’ Intervention zurückzuführen.

Auch Grüne sehen, dass Scholz sich hinter den Kulissen für die bereits verabredete Position eingesetzt hat, die FDP nicht mit ihrem Manöver durchkommen ließ. Und trotzdem fragen sich in der Koalition nicht nur sie, warum der Kanzler erst aktiv zu werden scheint, wenn die gegenseitigen Anfeindungen schon schwerwiegende politische Verletzungen verursacht haben. Punktuelle Führungsstärke gibt es bei Scholz, aber auch lange Phasen der Führungslosigkeit.

Er selbst würde es wohl eher so beschreiben, dass er es in einer Dreierkonstellation, in der seine eigene Macht auf der Unterstützung zweier anderer Parteien fußt, nicht mit Machtworten und dem Verweis auf die eigene Richtlinienkompetenz übertreiben darf – er also sehr sparsam mit öffentlichen Basta-Äußerungen umgehen muss. Er sieht die eigene Führungsaufgabe eher im ständigen Bearbeiten der Koalitionspartner hinter den Kulissen, während öffentlich gestritten wird.

Scholz ärgert sich darüber, dass Grüne und Liberale aufgrund ihrer fehlenden Regierungserfahrung immer wieder in ihre über Jahre eingeübten Oppositionsreflexe verfallen und ihr Heil eher in der Abgrenzung denn im Kompromiss suchen. Als Vizekanzler der Koalition mit der Union hat Scholz viel Energie darauf verwandt, seiner SPD einzuimpfen, eher das Erreichte zu feiern, als das Nicht-Erreichte zu beklagen.

Das wünscht er sich auch von Habeck und FDP-Chef Christian Lindner. Er selbst ist aber offenbar hat nicht mächtig genug, um die Koalitionspartner dazu zu zwingen und ein geräuschloseres Regieren sicherzustellen. Die Macht, die er hat, setzt er immer erst dann ein, wenn die ampelinterne Konfrontation Ausmaße annimmt, die seine Position direkt bedrohen.

2. Robert Habeck – König ohne Land

Robert Habeck kam lange in der Bevölkerung besser an als in seiner eigenen Partei. Nun scheint ihm beides zu entgleiten. Seine Beliebtheitswerte rauschen in den Keller, damit schwindet sein Rückhalt in der Partei. Er gilt als schlechter Netzwerker, verlasse sich zu sehr auf seine Rhetorik und höre zu wenig in die Partei, monieren Kritiker. Seine Basis ist die Kunst, Menschen von sich zu überzeugen. Politik als Handwerk liegt ihm weniger.

Denn obwohl Habeck Vizekanzler ist und im Wirtschaftsministerium zum Krisenminister geworden ist, der fast im Wochentakt Gesetzentwürfe auf den Weg bringt, ist er in seiner Partei nicht unangefochten. Die Grünen misstrauen traditionell Alpha-Männern. Der Realo Habeck kann gerade die Bundestagsfraktion, in der der linke Partieflügel die Mehrheit stellt, nicht immer hinter sich bringen. In der Krise wirkt Habeck mitunter wie ein König ohne Land.

Robert Habeck mit Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge: Er gilt nicht als guter Netzwerker.

© imago/Future Image/IMAGO/Frederic Kern

In den vergangenen Wochen zeigte sich beim Umgang mit dem Heizungsgesetz Habecks fehlende Durchsetzungskraft in den eigenen Reihen. Während er am Freitag versöhnliche Töne anschlug und Kompromissvorschläge in Richtung FDP sendete, polterten die beiden Vize-Fraktionschefs Andreas Audretsch und Julia Verlinden wenige Stunden später via Pressemitteilung, die Liberalen würden das Gesetz sabotieren und der Ampel und dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden.

In der Krise sprechen die Grünen nicht mit einer Stimme. Denn das Zentrum der Partei ist ungeklärt. Führungsanspruch erheben die Minister Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock, aber auch Fraktions- und Parteispitze. Das ist für die gesamte Regierung ein Problem. Denn Scholz kann zwar an Habeck und Baerbock appellieren, Kompromisse zu finden, nicht aber an die Fraktionsspitze der Grünen.

Das ungeklärte Zentrum spiegelt sich auch im uneinheitlichen Umgang mit den beiden Koalitionspartnern wider. Der frühere Parteichef und Realo Reinhard Bütikofer kritisierte in einem Blog-Eintrag den Tonfall gegenüber den Liberalen: „Ich beobachte, leider, auch, dass es in manchen Grünen Kreisen fast zum guten Ton gehört, die FDP zu verachten, unmöglich zu finden, als Gegenpol grüner Politik auszumachen“, schreibt der Europaabgeordnete.

Er teile dies nicht, stattdessen hält er die SPD machtstrategisch für die größte Konkurrentin. Daher sei es falsch, bei Streit mit der FDP um Machtworte des Kanzlers „zu betteln“. Schließlich machten diese Habeck klein. Und Olaf Scholz groß.

3. Christian Lindner – zu viel Macht

Es gibt eine Anekdote, die derzeit über Christian Lindner kursiert, die die Schwierigkeiten des Bundesfinanzministers und FDP-Chefs gut beschreibt. Er soll, so berichtet es die „Zeit“, in einer kleinen Runde zur Abstimmung des Heizungsgesetzes, offiziell „Gebäudeenergiegesetz“ (GEG), Anfang April gesagt haben, er werde zustimmen und eine Protokollnotiz abgeben, weil er sich gegen Kritik auf dem FDP-Parteitag absichern wolle.

Sein Ministerium verschickte nach der Kabinettssitzung ein Papier, darin hieß es unter anderem: „Im Ergebnis ist es gelungen, im GEG Technologieoffenheit, Wirtschaftlichkeit und soziale Ausgewogenheit als entscheidende Leitplanken für den Klimaschutz im Gebäudebereich zu verankern.“ Es klang nicht so, als glaube Lindner, mit dem Gesetzentwurf könne man nicht arbeiten.

Christian Lindner, Robert Habeck: Beide nutzen die Macht der Bilder.

© Fotostand/Fotostand / Reuhl

Doch Lindner hat sich verkalkuliert. Auf dem Parteitag verabschiedete die Basis einen Antrag, in dem es hieß, „Verbote lehnen wir als Instrument ab“. Das richtet sich gegen das Herzstück des Heizungsgesetzes, das den Einbau von neuen Öl- und Gasheizungen verbieten will. Statt dagegen zu reden oder einen alternativen Antrag einzubringen, ließ Lindner es geschehen.

Die Doppelrolle als Parteivorsitzender und Finanzminister ist problematisch, insbesondere weil Lindner glaubt, die Partei in der Abgrenzung zu den Grünen profilieren zu müssen. Dass sich die FDP bei der Bürgerschaftswahl in Bremen über die Fünf-Prozent-Hürde retten konnte und sich in den vergangenen Wochen in Umfragen eher stabilisiert hat, deutet er als Erfolge seines Kurses.

Ein weiteres Beispiel: Seit einigen Wochen macht ein Fragenkatalog die Runde durchs politische Berlin: 101 Fragen an das Wirtschaftsministerium, angeblich, laut Dokument, von der „Bundestagsfraktion der Freien Demokraten“. So stimmt das aber nicht, der Fragenkatalog stammte hauptsächlich von einem Abgeordneten, wurde in der Fraktion nie breiter diskutiert und in der Form nie an das Wirtschaftsministerium geschickt.

Die Fraktionsführung hätte das richtigstellen müssen. Die Parteispitze aber entschied, sich die „rund 100 Fragen“ (Zitat Generalsekretär Bijan Djir-Sarai) zu eigen zu machen. So entstand der fatale Eindruck, die FDP würde mehr PR-Politik als Sachpolitik machen.

In der Partei gibt es Unmut darüber, noch ist er sehr leise und nicht öffentlich. Trotzdem sehen inzwischen einige kritisch, dass Lindner zu Beginn der Regierungszeit entschieden hat, Parteivorsitzender zu bleiben und Minister zu werden. Es sind zu unterschiedliche Rollen. Zu viel Macht, könnte man sagen.

Ein Ausweg?

Es gibt Kompromisslinien im Streit um das Gebäudeenergiegesetz. Das größere Problem der Koalition, dass vor allem die FDP sich eher über die Abgrenzung zur Ampel definiert als über die Zugehörigkeit zur Regierung, wird bleiben.

In Berlin machen derweil Gerüchte über den nächsten Koalitionsausschuss die Runde. Wieder 30 Stunden, witzeln Hauptstadtjournalisten. Bitte nicht, sagen Koalitionäre.

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