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Politik: Helmut Kohl nach der Affäre: Sie schauen auf ihn herab - Der Mann der Stunde: Was ihm bleibt? Die Anrede mit Titel

Wie er so dasitzt, noch immer massig von Gestalt, aber weißhaarig jetzt, die Hände vor dem Bauch, wie zum Gebet gefaltet - man kann sich gut ein Bild von ihm machen: Das ist Helmut Kohl heute. Der Mann der Stunde.

Wie er so dasitzt, noch immer massig von Gestalt, aber weißhaarig jetzt, die Hände vor dem Bauch, wie zum Gebet gefaltet - man kann sich gut ein Bild von ihm machen: Das ist Helmut Kohl heute. Der Mann der Stunde.

Der "schwarze Riese", so hieß er von Anfang an, und zum Schluss war er nicht nur in der CDU überlebensgroß. Wie sie sich vor ihm verneigt haben, die Großen dieser Welt, die Kleinen, am meisten die Mittleren. Wie sie seine Nähe gesucht haben! Und noch jetzt, nach seinem Sturz, wird ihm Reverenz erwiesen. Bill Clinton, Wladimir Putin, Zhu Rongji - sie alle haben anscheinend ein anderes Bild von ihm. Auch noch in diesen Stunden.

Er war der Kanzler. Er war der Große, ein Denkmal seiner selbst. Er musste sich nicht mehr hervortun, sondern nur noch die Modalitäten des Abschieds regeln. Eines Abschieds in Würde. Bis im letzten Jahr die Spendenaffäre kam. Bis jetzt die Aktenvernichtung im Kanzleramt herauskam. Und wir sehen seine schwersten Stunden. Schauen wir ihm ins Gesicht: die Augen, die Falten, die verlorenen Lippen. Aber daneben im wütenden Blick dieser Wille - unverändert, unbedingt.

Er hat es vorher gewusst: Dass es einen Zeitpunkt geben würde, zu dem die Wähler sein "Gesicht nicht mehr sehen können". Dennoch ist er 1998 noch einmal angetreten und hat verloren, in einer Weise wie vor ihm keiner. Aber ist ihm seine Situation jetzt so richtig bewusst? Dass er wieder alles verlieren kann, und wieder wie vor ihm keiner? In diesen Stunden erscheint er oft sehr angegriffen. Alle schauen auf ihn, aber jetzt auf ihn herab. Sich mit ihm im Bundestag blicken zu lassen, hat schon früher immer viele Vermutungen ausgelöst. Heute kann es zum Skandal werden.

Da sitzt er nun, der Herr Abgeordnete, und besteht herrisch auf dem, was ihm geblieben ist: auf eine Anrede mit Titel. Auch Angela Merkel wollte sich in letzter Zeit mit ihm arrangieren, um ihn zum 3. Oktober wieder zu illuminieren. Zurück zur Einheit - auch der CDU mit Kohl. Denn das war doch damals seine große Stunde.

Aber erst mal geht am Donnerstag der Untersuchungsausschuss mit Helmut Kohl in die nächste Runde.

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