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Politik: Heute geheuert, morgen gefeuert

Arbeitsmarktforscher widersprechen der These, ohne Kündigungsschutz gebe es mehr Jobs

Berlin – Friedrich Merz blickt voller Neid ins Ausland. „In der Schweiz gibt es gar keinen Kündigungsschutz und praktisch Vollbeschäftigung“, sagte der CDU-Finanzexperte kürzlich in einem Interview. Für helle Aufregung in der Union sorgte Merz mit dem Gedankenspiel, es in Deutschland eines Tages den Schweizern nachzumachen – und den Kündigungsschutz abzuschaffen. Darüber könne man nachdenken, falls nachgewiesen werde, dass durch weniger Schutz mehr Beschäftigung möglich sei.

Dieser Nachweis wird Merz jedoch nur schwer gelingen. Dass weniger Kündigungsschutz zu einem Einstellungsboom in den Unternehmen führt, bezweifeln Experten nämlich. In Vergleichsstudien lässt sich nicht nachweisen, dass die Regelungsdichte auf dem Arbeitsmarkt langfristige Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau hat. Ohne Kündigungsschutz beschleunigt sich das Heuern und Feuern in den Betrieben. „So schnell, wie die Beschäftigung im Aufschwung blüht, verwelkt sie wieder im Abschwung“, so Arbeitsmarktforscher Günther Schmid vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).

Ist es also für Arbeitnehmer und Arbeitslose völlig gleich, wie streng die Kündigungsschutzgesetze in einem Land sind? Auch hier geben Wissenschaftler eindeutige Antworten: Von einem umfassenden Kündigungschutz profitieren vor allem männliche Arbeitnehmer im mittleren Alter. Zu den Verlieren gehören die Personengruppen, die eigentlich besonders geschützt werden sollen: Berufseinsteiger, jüngere Frauen, gering qualifizierte und ältere Arbeitslose haben es in Deutschland schwerer, wieder einen festen Arbeitsplatz zu ergattern als in Ländern, in denen es weniger Beschäftigungsschutz gibt. Sie bleiben im Schnitt deutlich länger ohne Job.

Elke Jahn vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fordert daher eine „grundlegende Reform“ des Kündigungsschutzes, bei der jedoch ein „Mindestschutz“ gewahrt bleibt. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer müsse es wieder mehr Rechts- und Planungssicherheit geben, etwa durch eine generelle Abfindungspflicht. In Deutschland laufen rund 250 000 Prozesse im Jahr meistens auf einen Abfindungshandel hinaus.

Die geltenden deutschen Gesetze haben ihre Berechtigung laut WZB-Forscher Schmid ohnehin ein Stück weit verloren. Theoretisch müsste bei hohem Kündigungsschutz die Bereitschaft der Firmenen steigen, in die betriebsspezifische Qualifikation ihrer Mitarbeiter zu investieren. Das sei in Deutschland nicht mehr der Fall, so Schmid: Durch die Praxis der Frühverrentung entledigten sich viele Arbeitgeber dieser Aufgabe.

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