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Politik: Hierher aus aller Welt

Von Christina Tilmann

Er hatte die Ursprungsidee. Jetzt ist er der große Sieger. Das Berliner Stadtschloss wird gebaut. Und Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, darf mit seinen außereuropäischen Sammlungen dort einziehen und sie auf neunzig Prozent der Fläche opulent präsentieren. Es wird, gegenüber der Museumsinsel, also einen zweiten großen Auftritt der Staatlichen Museen zu Berlin in Mitte geben. Ostasiatische, indische, afrikanische Kunstwerke im Dialog mit der europäischen Kultur jenseits des Lustgartens – ein gleichberechtigter Dialog jenseits von Kolonialismus und Eurozentrismus. Nofretete und die afrikanischen Königsmasken, Caspar David Friedrich und japanische Landschaftsbilder, griechische Vasen und die Tongefäße der Maya, der Schmuck der Merowinger und kostbare japanische Amulette: 6000 Jahre Kulturgeschichte, aus aller Welt hier vereint. Ein schöner Traum.

Aber Lehmanns Sieg ist ein Pyrrhussieg. Ja, es wird in absehbarer Zeit wieder ein Schloss auf dem Schlossplatz geben. Es wird auch die ersehnten Schlossfassaden, sogar die Kuppel haben. Und es wird bei einer öffentlichen Nutzung bleiben. Kein Hotel, kein Einkaufszentrum, keine Kongresshalle, keine Tiefgarage. Kunst, kein Kommerz. Aber die Anfangsidee eines weltoffenen Humboldt-Forums, eines Orts des 21. Jahrhunderts, mit der Lehmann einst die Wende in der jahrelangen Schlossblockade herbeiführte, ist tot. Geplant war ein Forum, bestückt von drei gleichberechtigten Partnern, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Humboldt-Universität und der Berliner Zentral- und Landesbibliothek. Ein Zusammenklang aus Kunst, Wissenschaft und Öffentlichkeit – damit wurden auch Schlossfeinde damals bekehrt. Nun wird Berlins Mitte doch zum reinen Museumstandort. Aus der Traum.

Das Problem: Auf die 5000 Quadratmeter Nutzungsfläche, die dem Land Berlin bleiben, passt nur noch einer der beiden Partner, Humboldt-Universität oder Zentralbibliothek. Und auch das nur als Schaufenster, als Showroom. Die Aufgabe, ein weltoffenes, publikumsnahes Forum für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Medien zu schaffen, bleibt im künftigen Museumsschloss allein dem Hauptnutzer überlassen, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Museen müssen das Rahmenprogramm aus wissenschaftlichen Kolloquien, populären Vortragsreihen, Theater- und Konzertabenden, Filmvorführungen, Mediathek- und Bibliotheksangeboten, Kongressen und Tagen der offenen Tür aus eigener Kraft stemmen. Ob ihnen das so gelingen wird, dass auch jenseits der Öffnungszeiten Leben am Schlossplatz herrscht, darf bezweifelt werden. Bisher haben sich die Museen, außer in den langen Museumsnächten, nicht besonders mit innovativen Konzepten hervorgetan. Die Vielfalt eines Centre Pompidou zwischen Ausstellungsraum, Mediathek und populärem Aufenthaltsort lassen sie an ihren Standorten von Dahlem über das Kulturforum bis zur Museumsinsel noch vermissen. Das Herz der Stadt schlägt hier noch nicht.

Und was will Berlin mit seinem Minimalanteil anfangen? 5000 Quadratmeter sind nicht viel, um Akzente zu setzen, flächenmäßig kaum mehr als ein Supermarkt. Wie wäre es, statt Mini-Bibliothek oder Schrumpf-Uni, mit dieser Idee: Soll doch die Stadt ihre Kunsthalle für Gegenwart dort unterbringen. Sie wird angesichts der vitalen, international beachteten Berliner Kunstszene dringend gebraucht und ist vom Senat auch schon versprochen worden. Für einen Neubau am Hamburger Bahnhof jedoch steht eine Finanzierung in den Sternen – erst recht, wenn Berlin schon mit seinem Beitrag für den Schlossbau solche Mühen hat. Und Gegenwartskunst, das ist längst nicht mehr deutsche oder europäische, sondern genauso auch außereuropäische Kunst. Die Documenta, die Kunstbiennalen in aller Welt zeigen das. Die Künstler strömen aus Indien, Afrika, China oder Australien, aus aller Welt in diese Stadt. Wäre doch wunderbar, wenn die globale Kunstwelt am Schlossplatz eine dauerhafte Adresse hätte. Hier, inmitten Berlins, hätten wir dann den Louvre und das Centre Pompidou in einem.

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