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Politik: Hinter den Linden: Hört die Obertöne

Genier mich nicht mein schönes Kind und grüß mich nicht unter den Linden, heißt die schöne Strophe, deren Botschaft in dem Reim liegt: Später werde sich schon alles finden. Es waren eben Zeiten der Diskretion.

Genier mich nicht mein schönes Kind und grüß mich nicht unter den Linden, heißt die schöne Strophe, deren Botschaft in dem Reim liegt: Später werde sich schon alles finden. Es waren eben Zeiten der Diskretion. Das ist nicht gerade die Sache von FDP-Chef Guido Westerwelle. Lieber Herr Bundeskanzler, sagt der FDP-Vorsitzende zu Gerhard Schröder. Er sagt es mit viel Betonung in der Stimme, auch mit einer Messerspitze von provokativem Halbernst und hat das heitere Raunen der Gäste dieses Empfangs im Dehler-Haus sogleich für sich. Dann schwenkt er das inzwischen zum Repertoire aller Westerwelle-Reden gehörende Wink-Element: Er hoffe, nicht mehr lange aus der Opposition heraus zu sprechen.

Natürlich findet sich hier gar nichts, es wird ja gerade erst die Wahlkampfszene aufgebaut. Doch irgendwie winkt der Kanzler zurück. Nicht gerade durch die Blume, sondern auf dem Umweg des Lobes für Graf Lambsdorff, zu dessen 75. Geburtstag im vergangenen Dezember der Empfang stattfindet. "Aus Respekt dürfe er den Grafen nicht zu wenig loben, aus politischem Kalkül nicht zu viel", sagt Schröder. Also nennt er den Grafen einen "richtigen Kerl", "a Hund, wie man in der Sprache sagt, die hier Mode werden soll". Er dankt dem Grafen für manchen guten Rat, "den ich dann nicht befolgt habe". Die Obertöne machen die Musik. Die Ironie scherzt mit der tieferen Bedeutung. Nichts wird gesagt, aber alle hier - vor allem FDP-Politiker, von gestern, heute und morgen - verstehen es. Oder glauben es.

Das alles hat, gewiss doch, nicht viel zu bedeuten. Politiker unter sich, vor einem ziemlich dramatischen Jahr. Oder doch mehr? Ein Gruß unter den Linden in der Reinhardtstraße (wo das Dehler-Haus liegt)? Immerhin, der Kanzler nennt Lambsdorff einen großen Liberalen. Dann passt er ihm sogar ein Luther-Wort an: Für ihn gelte nicht nur das Hier-stehe-ich-ich-kann-nicht-anders. Der "will auch nicht anders". Da hat Lambsdorff es leicht, das letzte Wort zu haben: Jedenfalls habe er nie gesagt, er könne auch anders.

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