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Politik: Hinter den Linden: Synthesizer-Großvater

Die deutsche Geschichte, der Standortfaktor Musik und die Rivalität zwischen Berlin und München: Weil heute Sonntag ist, nähern wir uns der Politik einmal so. Das Duell Berlin - München ist ja ein seltsames.

Die deutsche Geschichte, der Standortfaktor Musik und die Rivalität zwischen Berlin und München: Weil heute Sonntag ist, nähern wir uns der Politik einmal so. Das Duell Berlin - München ist ja ein seltsames. Die beiden Städte können sich nicht darauf einigen, wo sie denn konkurrieren wollen. Niemand in Berlin behauptet, die Alpen vor der Tür zu haben. Niemand in München prahlt mit Underground und New-York-Vergleichen. Es gibt aber einen 91-jährigen Herrn, um dessen Gunst die beiden Kapitalen von Preußen und Bajuwaren ringen. Er heißt Oskar Sala. Im Sommer 1930 saß Sala neben Paul Hindemith und bespielte einen Drahtkasten namens Trautonium; Hindemith spielte ein zweites. Die Trautonien sind elektronische Instrumente, entwickelt in der Rundfunkversuchsstelle der Berliner Musikhochschule. Die Schröder-Generation kennt den Nachfolger des Trautoniums, den Synthesizer, weil Emerson, Lake & Palmer darauf in den 70-ern quietschende Hymnen schufen. Die Westerwelle-Generation mag eher an Depeche Mode denken.

Der Synthesizer ist ein bastardisierter Enkel des Trautoniums, wenn Oskar Sala auch betont, die beiden seien "keineswegs auseinander hervorgegangen". Jedenfalls ist Sala, aus Thüringen stammender Musiker und Physiker, so etwas wie der Urgroßvater der elektronischen Musik, in der Deutschland einmal führend war. Sala arbeitet noch heute in Berlin. München hat ihn in den letzten Jahren, im Deutschen Museum und darüber hinaus, ein wenig mehr gewürdigt als die Hauptstadt, doch diese hat gerade mit einer großen Geburtstagsgala gleichgezogen. Der freundliche alte Herr bringt über die Erinnerung an deutsche Musik- und Technik-Kultur also zusammen, was in den Zeiten von Stoiber und Steffel so oft als unüberbrückbar gilt.

Die meisten von Ihnen werden von Sala noch nie etwas gehört haben. Was nicht ganz stimmt. Das hysterische Kreischen der Vögel in Alfred Hitchcocks "Birds" entstand 1961 auf seinem Trautonium. Der freundliche alte Herr fasst sein Leben heute so zusammen: "Ich war Schüler von Hindemith. Dann kam Hitler. Dann kam Hitchcock." Aus solcher Perspektive schrumpft der Streit um schönere und heimliche Hauptstädte. Hitler übrigens, ein Münchner und ein Berliner, fand Salas Musik nicht sehr interessant. Bei einer Privatvorführung quasselte er lieber mit Goebbels.

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