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Politik: Hinter den Linden: Tipps aus Amerika

Heute holen wir uns Rat. Von weit weg.

Heute holen wir uns Rat. Von weit weg. Bis gestern war ein Mann in Berlin, bei dem die weitesten Anzüge um die Schultern spannen, ein Glatzkopf und Zigarrenraucher mit Schnauzbart. Sein Motto: "Die Liebe ist größer als die Regierung." Er ist nur einer von 50 US-Gouverneuren. Niemand bestreitet, dass er Amerikas schillerndster ist. Jesse Ventura, Regierungschef von Minnesota, mit einem bewegten Leben. Er war Elitekämpfer der Marine, Show-Ringer. Studium, Radio-Moderator, Bürgermeister. Mit Arnold Schwarzenegger stand er vor der Kamera. Jetzt ist der 50-jährige Anti-Politiker Gouverneur - als Unabhängiger, der Republikaner und Demokraten gleichermaßen verabscheut.

Seine Tipps gegen Korruption: "Sie müssten einen Deutschen wie mich finden, der sich außerhalb der Politik einen Namen gemacht hat. Nur dann kann der ohne Lobbys und Geld etwas werden. Der müsste nicht auf Parteistrukturen setzen. Findet jemanden, dem Ihr vertraut. Ein Sportler, der intelligent ist und führen kann. Vielleicht Boris Becker. Aber ich habe keine Ahnung, wo der politisch steht." Wir auch nicht.

Ventura warb in Berlin für den Tourismus- und Investitionsort Minnesota. Eine kesse Lippe riskiert er stets. Religion hat er als "Krücke für Weichlinge" bezeichnet, und dass er selbst kein Weichling ist, weiß die Welt spätestens seit seinem Satz: "Man hat nicht wahrlich gejagt, ehe man nicht Jagd auf Menschen gemacht hat." Ventura ist ein "fiscal conservative, social liberal": Er streitet für einen begrenzten Staat, niedrige Steuern, ausgeglichene Haushalte - und für liberale Regeln in Moralfragen. "Nichts in der US-Verfassung verbietet es Leuten, dumm zu sein. Wenn ich unter Drogeneinfluss auf jemanden einprügele, verurteilt mich wegen Körperverletzung! Aber man kann doch nicht Dummheit verbieten!"

An Politikern stört ihn, dass "alles von den Chancen bei der nächsten Wahl bestimmt wird. Wie sollen die langfristige und unpopuläre Entscheidungen fällen können?" Als Gouverneur, der daheim Etat-Kürzungen durchsetzen muss, hat Ventura einen Rat für die Berliner Landespolitik parat: "Man muss die Schmerzen verteilen. Lieber ein wenig Kopfschmerzen und eine Aspirin für jeden, als jedem zweiten einen Weisheitszahn ziehen."

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