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Politik: Hinter den Linden: Unter drei

So eine Tradition hat es nicht leicht. In grauer Vorzeit ist sie entstanden.

Von Robert Birnbaum

So eine Tradition hat es nicht leicht. In grauer Vorzeit ist sie entstanden. Dann hat die Zeit sich gewandelt. Die Tradition wird weiter überliefert; aber auch sie wandelt sich. In grauer Vorzeit ist ein Komment zwischen Journalisten und Politikern entstanden zur Klärung der Frage, was ein Politiker gesagt haben will und was nicht. Der ging so: "Unter eins" Gesagtes findet sich in der Zeitung als "Peter Müller sagte ...". Das Gleiche "Unter zwei" stammt "aus Unionskreisen". "Unter drei" hieß: Bleibt unter uns.

Doch Traditionen wandeln sich. Heute ist "unter zwei" nahezu ausgestorben. Dafür hat jeder seine Privatinterpretation von "unter drei". Die Spanne reicht von "Schreiben Sie das unbedingt, aber sagen Sie nicht, von wem Sie es haben" bis zum alten "Bleibt unter uns". Wer das jeweils wie meint? Tja.

Hilfsweise eingebürgert hat sich die Ausweitung der Dreier-Skala zur nach oben offenen: "unter fünf" müsste nach alter Lesart so was wie "nicht mal mitschreiben" bedeuten, heißt aber nur "Das ist jetzt wirklich unter drei".

Neulich ist es einem passiert, dass er etwas "unter drei" erzählt hat und die alte Tradition im Sinne hatte. Doch was er sagte, blieb nicht "unter drei", sondern machte hinter den Linden die Runde. Anderntags stand in der Zeitung "Peter Müller sagte". Der hat daraus eine interessante Lehre gezogen: "Ab jetzt rede ich nur noch unter eins vor laufenden Kameras." Er hat diese Lehre allerdings in der Unionsfraktion bekannt gegeben. Deren Sitzungen sind nicht öffentlich - gewissermassen "unter drei". Mithin stellt sich jetzt die diffizile Frage: Dürfen Sie, liebe Leserinnen und Leser, diesen Text gelesen haben?

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