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Politik: Historischer Deal

Serbien und Kosovo einigen sich auf einen Vertrag über den Norden – ein großer Schritt Richtung Europa.

„Habemus pactum“, twitterte die kosovarische EU-Ministerin Vlora Çitaku kurz nach vier Uhr nachmittags. Mehr als fünf Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo und großen Mediationsbemühungen der EU, haben sich Belgrad und Pristina am Freitag auf ein Abkommen über den Nordkosovo geeinigt, der bisher nicht in den kosovarischen Staat integriert war.

Der Graben sei nicht mehr schmal und tief, sondern nur mehr schmal und seicht, hatte die EU-Vermittlerin Catherine Ashton nach der letzten Verhandlungsrunde Mittwochnacht gesagt. Am Freitag kamen die beiden Premierminister von Serbien und dem Kosovo, Ivica Dacic und Hashim Thaçi, zum zehnten Mal in Brüssel zusammen. Das Drama um den „historischen Deal“ hatte sich zugespitzt, nachdem sämtliche Deadlines abgelaufen waren und zudem am Montag beim EU-Rat die Entscheidung ansteht, ob Serbien ein Datum für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen bekommen wird.

Ashton unterbrach daher nochmals ihre Balkanreise und fuhr nicht wie vorgesehen nach Zagreb, sondern wieder nach Brüssel, ebenso wie die kosovarische Delegation, die von Ljubljana aus wieder kehrtmachte. Zuletzt hatten auch die USA den Druck erhöht. Konkret ging es am Freitag um die Punkte 9 und 14 des 15-Punkte-Vorschlages. Punkt 9 betrifft die Polizei im Nordkosovo. Belgrad beharrte auf Postenbesetzungen für Kommandeure. Die ethnische Struktur der Polizei soll zudem der Bevölkerungsstruktur entsprechen. Bei Punkt 14 ging es um die Mitgliedschaft des Kosovo bei den UN. Der Kosovo hatte zuletzt seine Zustimmung davon abhängig gemacht. Serbien lehnte dies aber ab. Allerdings sollen sich beide Staaten dazu verpflichten, sich gegenseitig in ihren EU-Integrationsbemühungen nicht zu stoppen. Bewegung signalisierte am Freitag auch Rumänien, das als einer von fünf EU-Staaten den Kosovo nicht anerkennt. Premier Victor Ponta stellte eine Anerkennung in Aussicht.

Für Serbien ist entscheidend, dass das kosovarische Militär nicht im Nordkosovo stationiert wird. Serben-Vertreter im Nordkosovo riefen am Freitag die Belgrader Führung dazu auf, eine Vereinbarung überhaupt nicht zu unterzeichnen. Sie wollen nicht in den kosovarischen Staat integriert werden. Serbien versuchte eine Garantie zu erreichen, dass kosovo-albanische Sicherheitskräfte im Norden nicht ohne die Zustimmung der Nato, also der Kfor-Truppen eingreifen dürfen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen betonte am Freitag, dass die Nato alles tun werde, um eine Vereinbarung zwischen Belgrad und Pristina umzusetzen.

Nach dem 15-Punkte-Plan soll der Verbund der serbischen Gemeinden die Gemeinden Leposavic, Zvecan, Zubin Potok und Nord Kosovska Mitrovica umfassen. Der Verbund soll laut serbischen Medien einen eigenen Präsidenten, ein Parlament und Exekutivbefugnisse in den Bereichen Bildung, Gesundheitswesen, Raumplanung, wirtschaftliche Entwicklung und lokale Medien haben.

In den vergangenen Verhandlungsrunden war es Serbien darum gegangen, auf einer symbolischen Ebene Zugeständnisse zu erreichen. Prinzipiell hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits im Sommer 2011 Belgrad klargemacht, dass die „Parallel-Strukturen“ im Nordkosovo, also eigentlich die alten jugoslawischen legislativen und exekutiven Einheiten aufgelöst werden müssen, wenn Serbien weiter auf dem EU-Weg bleiben will. Und obwohl die kosovarische Verfassung weitreichende Minderheiten für die Serben vorsieht, ging es der Regierung in Belgrad immer um mehr: Um ein Stück Territorium, das in den Kosovo eingegliedert werden soll und darum, das Gesicht zu wahren. Denn in den vergangenen Jahren hatte man trotz der faktischen Unabhängigkeit des Kosovo die Rhetorik („Kosovo ist das Herz Serbiens“) nicht verändert.

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