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Politik: Holocaust-Mahnmal: Dickköpfe unter sich

Wolfgang Thierse ist ein Dickschädel. Manchmal führt das zu nicht erschütterbarer Friedfertigkeit.

Wolfgang Thierse ist ein Dickschädel. Manchmal führt das zu nicht erschütterbarer Friedfertigkeit. Mit größter Ruhe kann er da die turbulentesten und kompliziertesten Sitzungen leiten - zum Beispiel im Kuratorium der Stiftung für das Holocaust-Mahnmal. Eine Ansammlung, höflich formuliert, höchst eigenwilliger Persönlichkeiten. Mittendrin der Bundestagspräsident, mindestens so eigenwillig wie die anderen. Aber cool, höflich, freundlich. Manchmal allerdings will der wuselbärtige Schlesier nicht freundlich sein. Dann bedarf es erheblicher Willenskraft, sein Temperament zu zügeln. Rechtsradikalismus ist so ein Thema, Fremdenfeindlichkeit, Ignoranz.

Aber auch dann nötigt ihm das repräsentative Amt ein hohes Maß an Zurückhaltung ab. Höflichkeit. Überparteilichkeit. Entsprechend war der Ton jenes Briefes, in dem er Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm um Hilfe für einen algerischen Asylbewerber gebeten hatte. Khaled Bensaha, der von Rechtsradikalen beinahe zu Tode gehetzt worden wäre, hat inzwischen gute Chancen auf unbürokratische Behandlung - auch deshalb, weil aus der Geschichte ein Politikum geworden ist. Wäre es nach Thierses Dickschädel gegangen, es hätte nicht sein müssen. Hilfe für den Mann wäre ihm genug gewesen.

Das Politikum hat nun offenbar eine auch von Thierse nicht erwartete Folge: Ein anderer Dickschädel hat Selbstkritik geübt. Manfred Stolpe, der brandenburgische Dickschädel, sieht plötzlich ein, was ihm schon viele gesagt haben -, dass er das Ausmaß des Rechtsextremismus verharmlost hat. Nun könnte man auf die Idee kommen, da sei nicht nur ein Brief des Bundestagspräsidenten an den Koalitionspartner des Ministerpräsidenten gewesen, sondern ein Gespräch oder mehrere. Nein, gab es nicht. Jedenfalls nicht zwischen Thierse und Stolpe. Aber die beiden sind ja nicht allein, sie haben Mitarbeiter. Und zwischen denen hat es in den letzten Wochen offenbar eine ziemlich rege Kommunikation gegeben, die augenscheinlich wiederum zu Gesprächen in der Potsdamer Staatskanzlei geführt hat. Das Ergebnis auch dieser Gespräche ist nun in der "Zeit" unter dem Titel zu lesen: "Ich wollte es nicht wahrhaben."

Und Thierse? Schweigt. Gerade ist er aus Magdeburg zurückgekommen von einer jener Touren, die er regelmäßig unternimmt. Meist diskret schaut er vorbei an Brennpunkten, wo es Menschen zu unterstützen gilt, die Opfer sind, oder solche, die Opfern helfen oder etwas gegen Täter tun. Dass er das Hamburger Wochenblatt gestern mit mehr als nur Interesse aufgeschlagen hat, darf man ihm unterstellen. Ebenso ist zu vermuten, dass ein Lächeln über sein Gesicht gehuscht ist, wenn er bei dieser Gelegenheit an die kommende Woche gedacht hat. Da nämlich tagt der Ältestenrat des Bundestages. Eine jener Sitzungen, die er zu leiten hat. Da wollte die CDU ihn zur Rede stellen, weil er mit dem Brief an den Potsdamer Innenminister seine Neutralitätspflicht verletzt habe. Ob sich am Schluss, unter "Verschiedenes", einer meldet? Thierse rechnet nicht damit. Denn außer Stolpe hat auch Schönbohm eingelenkt, der dritte Dickkopf im Bunde. Und Thierse? Schweigt. Zufrieden.

Thomas Kröter

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