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Politik: „Ich bin nicht bereit, mich gängeln zu lassen“

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Böhmer über sein Bündnis mit der FDP – und die Politik der großen Koalition im Bund

Sie regieren jetzt mit der FDP. Wollen Sie das – im Fall eines Erfolgs bei den Landtagswahlen im März – fortsetzen?

In der Demokratie muss man mit allen demokratischen Parteien koalitionsfähig sein. Wir werden deshalb sehen, wie die Wähler entscheiden. Wenn es möglich ist, möchte ich die Koalition mit der FDP aber fortsetzen.

Die große Koalition ist für Sie kein Modell zur Lösung großer Probleme?

So würde ich das nicht sagen. Aber nach acht Jahren SPD-geführter Regierungen hier in Sachsen-Anhalt, die für das Land Stagnation bedeutet haben, hat die CDU-FDP-Regierung in der zurückliegenden Amtszeit auch für die Bürger erkennbar etwas bewegt. Wir sind zum Beispiel nicht mehr das Land mit der höchsten Arbeitslosigkeit. Warum sollten wir das beenden?

War das 25-Milliarden-Euro-Programm der Genshagener Klausur ein Unionsprogramm oder ein Koalitionsprogramm?

Die Regierungskoalition hat sich gemeinsam darauf verständigt, Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln. Ähnliche Förderprogramme etwa für die Bauwirtschaft und das Handwerk haben in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung zu einem wahren Boom geführt. Nun wird das jetzt wohl nicht zu wiederholen sein. Aber ich sehe eine ganze Reihe positiver Effekte.

Gilt das auch für die familienpolitischen Elemente?

Da bin ich skeptischer. Seit ich Familienpolitik beobachte, sehe ich, dass finanzielle Anreize zur Familiengründung in der Anfangszeit stimulierende Wirkung haben, dann aber sehr rasch als selbstverständliche Unterstützung mitgenommen werden. Auch das jetzt beschlossene Programm wird meiner Ansicht nach nicht sofort die gewünschten demografischen Entwicklungen auslösen. Die wirkungsvollste familienpolitische Unterstützung, die ich kennen gelernt habe, ist eine Erfindung der DDR: Jede Familie hat einen Baukredit bekommen und ihr wurde ein Teil der Kreditsumme erlassen, wenn Kinder geboren wurden.

Die Koalition will über Kombilöhne nachdenken, Sachsen-Anhalt erprobt sie bereits. Können Sie Kombilöhne empfehlen?

Im Prinzip ja, doch nur unter bestimmten Bedingungen. Was wir seit ein paar Monaten erproben, ist die befristete Zahlung eines Einstiegsgeldes an die Arbeitnehmer auf der Grundlage bereits bestehender Sozialgesetze. Die Zuschüsse bekommen nur Langzeitarbeitslose für zwei Jahre. Das ist kalkulierbar und keine Dauersubvention. Ein solches Modell generell und sofort in ganz Deutschland einzuführen, halte ich jedoch für hoch problematisch, denn es birgt Missbrauchsmöglichkeiten und bedeutet nicht nur einen Eingriff in die Tarifautonomie, sondern auch eine erhebliche finanzielle Belastung.

Was schlagen Sie zur Beschäftigung Langzeitarbeitsloser vor?

Wo es sich ausschließlich um diese konkrete Gruppe der Arbeitslosen handelt, bin ich weniger pessimistisch. Ich glaube, wir werden uns mittelfristig in diesem Bereich des Arbeitsmarktes auch mit dauerhaften Lohnzuschüssen beschäftigen müssen. Dazu können die Erfahrungen aus Sachsen-Anhalt nützlich sein. Wir streben einem dreigeteilten Arbeitsmarkt entgegen, dem ersten, dem geschützten für Behinderte und dem „gestützten“. Dort werden all jene Menschen sein, deren Fähigkeiten nicht ausreichen, um im ersten Arbeitsmarkt einen Job zu finden, von dem sie leben können. Die Löhne dieser Gruppe auch dauerhaft auf ein existenzsicherndes Niveau zu subventionieren, ist menschlicher und am Ende auch billiger, als für die Dauerarbeitslosigkeit zu bezahlen.Wir werden nicht umhinkommen, uns mit dieser Frage zu beschäftigen, die rund eine Million Menschen in Deutschland betrifft.

Was denken Sie über die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes?

Wir haben diesen gesetzlichen Mindestlohn de facto bereits: Die Summe der Leistungen des ALG II. Diesen Leistungsanspruch hat hier zu Lande jeder, ohne arbeiten gehen zu müssen oder für einen noch niedrigeren Lohn zu arbeiten. Alle Mindestlöhne darüber hinaus sollten den Tarifpartnern vorbehalten bleiben.

Auch Sachsen-Anhalt wird einen Teil der Steuerausfälle durch das Konjunkturprogramm bezahlen. Können Sie sich das leisten?

Jetzt müssen wir erst einmal errechnen, ob die Steuerausfälle, die auf unser Land zukommen, größer sein werden, als die zusätzlichen Einnahmen, die das Programm ja erzeugen soll. Wenn die Rechnung einigermaßen aufgeht, ist das in Ordnung. Noch allerdings haben wir die Sorge, dass das Programm die Länderhaushalte zu stark belasten könnte.

Werden Sie vom Bund einen Ausgleich einfordern?

Alle Bestandteile des Programms, die die Länderhaushalte belasten, sind im Bundesrat zustimmungspflichtig. Und bevor wir dem zustimmen, müssen wir rechnen. Wird die Last zu hoch, müssen wir mit der Bundesregierung verhandeln.

Sie werden der Anhebung der Mehrwertsteuer zustimmen, wenn die CDU Ende März die Wahl gewinnt?

Das werden wir.

Ihr Wunschpartner FDP will das nicht.

Das ist in der Tat ein großes Problem. Ich habe der FDP hier in Sachsen-Anhalt bereits gesagt, dass ich – so gerne ich mit den Liberalen weiter regieren will – nicht bereit wäre, mich fünf Jahre lang gängeln zu lassen. In Sachsen-Anhalt verantwortlich mitregieren zu wollen und in Berlin Fundamentalopposition zu betreiben, das würde so nicht funktionieren.

Das Gespräch führten Antje Sirleschtov, Cordula Eubel und Juliane Schäuble.

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