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Politik: „Ich verstehe den Gegenwind nicht“

Staatssekretärin Caspers-Merk über Kritik der Grünen an den Pflege-Plänen

Frau CaspersMerk, haben Sie schon einmal so ein negatives Echo auf einen Gesetzentwurf erlebt wie bei der Pflege?

Die Expertenanhörung war kritisch. Damit haben wir gerechnet. Viele der Verbände haben erwartet, dass aus der Pflegekasse ein Bonus für Familien geleistet werden kann. Aber das wäre nicht finanzierbar. Die Vorschläge der Union und der FDP haben auch kein besseres Echo bekommen. Wir haben eine Reform vorgelegt, die verfassungsrechtlich tragfähig ist. Und unser Entwurf ist der einzige, der sicherstellt, dass die Pflegekasse bis 2008 Leistungen finanzieren kann. Wir haben Zeit gewonnen für eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung.

Die Grünen sind nicht begeistert vom Gesetzentwurf. Würden Sie sich mehr Unterstützung vom Koalitionspartner wünschen?

Ich verstehe den Gegenwind nicht. Der Entwurf wurde schließlich gemeinsam erstellt. Die Grünen hätten sich mehr gewünscht, wir auch. Das ist aber derzeit nicht finanzierbar.

Experten beklagen den enormen Verwaltungsaufwand. Warum haben Sie das Gesetz nicht einfacher gestaltet?

Es gibt in der Tat mehr Verwaltungsaufwand. Aber eine Entlastung von Familien im Beitragssystem, wie sie das Verfassungsgericht fordert, ist immer bürokratisch und macht das ohnehin komplizierte Beitragssystem noch komplizierter. Wir haben das Urteil nicht gewollt, ich halte es auch für einen sozialpolitischen Irrweg. Wir müssen Familien mit Kindern anders fördern – wie in der Rente durch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, und vor allem durch eine bessere Betreuung. Aber noch einmal zur Bürokratie: Wir sind mit Sicherheit nicht diejenigen, die Bürokratie ausweiten wollen. Das haben wir ja gerade an anderer Stelle – Stichwort Zahnersatz – gezeigt.

Sie setzen in diesem Jahr nur das Urteil des Verfassungsgerichts um, haben die eigentliche Reform der Pflege erst einmal vertagt. Läuft Ihnen nicht die Zeit davon?

Im kommenden Jahr wollen wir mit Gesprächen über die nächsten Schritte beginnen. Dabei geht es um die Entbürokratisierung der Pflege, die gesetzlichen Regelungen für Heime sind zum Beispiel viel zu kompliziert. Außerdem geht es darum, Demenzkranke, also verwirrte alte Menschen, besser zu stellen. Und drittens müssen wir die ambulante Pflege stärken. Langfristig muss unsere Gesellschaft die Frage beantworten, was uns die Pflege wert ist. Was wird bezahlt, was nicht? Schon als Norbert Blüm 1995 die Pflegeversicherung einführte, wies er darauf hin, dass spätestens zehn Jahre später Reformbedarf bestehen würde.

Das Interview führte Cordula Eubel.

Marion Caspers-Merk (49) ist seit 2002 Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium und Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Seit 1990 gehört sie dem Bundestag an.

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