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Politik: Im Namen Arafats

Die neue PLO-Führung wird bedroht – ihre Gegner berufen sich dabei auf den verstorbenen Präsidenten

Im Vorfeld der für Januar vorgesehenen Präsidentschaftswahlen drohen Machtkämpfe zu einer weiteren Eskalation der innerpalästinensischen Gewalt zu führen. Einen Vorgeschmack darauf erhielt am Sonntagabend der neue Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Mahmud Abbas, als Bewaffnete ein Trauerzelt stürmten und durch Schüsse zwei seiner Sicherheitsleute töteten. Der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erakat erklärte am Montag in einer Reaktion auf die Schießerei baldige Wahlen für unerlässlich: „Wenn wir keine Wahlen haben, werden Gewalt und Anarchie wieder ausbrechen“, sagte er im israelischen Fernsehen.

Abbas selbst nannte die Sicherheitslage in den Palästinensergebieten teilweise „chaotisch“. Dies sei auch einer der Gründe für die Schießerei. Beobachter in Gaza sehen den Zwischenfall dagegen vor dem Hintergrund, dass Abbas innerhalb seiner eigenen Fatah-Partei äußerst umstritten ist, vor allem im Gazastreifen. Abbas ist bei den Wahlen fürs Präsidium der Palästinenserregierung Spitzenkandidat der Fatah.

Palästinensische Beobachter vermuten hinter dem Zwischenfall den einflussreichen Sekretär der Fatah in Gaza, Ahmed Hilis. Der als Arafat-Loyalist bekannte Hilis wolle Abbas herausfordern und Reformen verhindern. Abbas, der für seine gemäßigte Haltung bekannt ist und die Intifada als „Fehler“ bezeichnet hat, lehnt den Einsatz von Gewalt ab. Auch bei den jugendlichen Fatah-Milizen, die sich einer Annäherung an Israel widersetzen und die von Arafat unterstützt worden waren, ist er deshalb unpopulär. „Er muss die Milizen möglichst schnell entwaffnen“, sagt ein Beobachter in Gaza. Zusätzlich muss Abbas die von Arafat geförderte Aufteilung der Sicherheitsorgane in Untergruppen rückgängig machen und sie unter ein einheitliches Kommando bringen. Die Aufsplitterung der Sicherheitskräfte, die sich gegenseitig Konkurrenz machen, erschwert die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung.

Seit Arafats Tod schmücken sich mehrere bewaffnete Fatah-Gruppen mit dem Namen „Arafat“ und gehen gegen Anhänger von Abbas und Mohammed Dahlan, dem ehemaligen Sicherheitschef im Gazastreifen, vor. Abbas-Gegner werden laut israelischer Quellen auch von hohen Stellen in der Palästinenserregierung unterstützt. Sie wollen Abbas, der mit Dahlan eng zusammenarbeitet, schwächen. Dahlan hatte sich schon unter Arafat für Reformen eingesetzt. Ein Ausweg aus dieser prekären Lage sei nur mit Neuwahlen möglich, sind palästinensische Führungskräfte überzeugt. Sie würden der Regierung die Legitimität zu einem harten Durchgreifen geben, die ihr heute fehle.

Israel signalisierte indes erstmals die Bereitschaft, den geplanten Abzug aus dem Gazastreifen mit einer neuen palästinensischen Führung zu koordinieren. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte: „Wenn es einen palästinensischen Partner gibt, sehen wir die Möglichkeit, die Räumung abzustimmen.“

Unterdessen forderte die palästinensische Regierung von Frankreich einen umfassenden Bericht über die Todesumstände ihres in einer Klinik bei Paris verstorbenen Präsidenten Jassir Arafat. In den Palästinensergebieten hatte zuletzt das Gerücht die Runde gemacht, Israel habe Arafat vergiften lassen. Israelische und französische Regierungsstellen dementierten diese Anschuldigungen.

Pierre Heumann[Gaza]

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