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Politik: Im Osten Krippen, im Westen Arbeit

In Bayern sind viele Frauen berufstätig – obwohl es wenig Betreuungsangebote gibt. Ein Widerspruch?

Berlin - In der Auseinandersetzung um den massiven Ausbau der Kinderbetreuung, hat Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) betont, Bayern habe die höchste Frauenerwerbstätigenquote aller 16 Bundesländer. Stewens begründete die Spitzenposition damit, dass Bayern rechtzeitig begonnen habe, Kinderbetreuungsplätze auszubauen. Ein Widerspruch, denn bei der Zahl der Krippenplätze rangierte Bayern 2002 auf dem letzten Rang. Auf 1000 Kinder kamen im Freistaat nur 21 Betreuungsplätze für unter Dreijährige. Die ostdeutschen Länder hingegen boten einige hundert Krippenplätze an, verzeichnen aber eine niedrige Frauenerwerbstätigkeit.

Herbert Buscher vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle hat eine Erklärung für diese Diskrepanz: „Die Erwerbstätigenquote in Bayern und Baden-Württemberg ist allgemein sehr hoch, dann gibt es natürlich auch mehr Arbeitsplätze für Frauen.“ In Ostdeutschland hingegen gebe es weniger Arbeit, viele Krippenplätze blieben leer, und viele Frauen im gebärfähigen Alter zögen in die alten Bundesländer, um Arbeit zu suchen.

Ein Blick in die Statistik bestätigt Buschers These: Bayern hatte 2005 eine Erwerbstätigenquote von 70 Prozent und nahm damit den Spitzenplatz ein, 62,9 Prozent der Frauen arbeiteten. Damit rangierte Bayern auf dem zweiten Platz hinter Baden-Württemberg, das eine Frauenerwerbstätigenquote von 63,1 Prozent aufweist. Die Länder mit einer insgesamt niedrigen Erwerbstätigenquote hingegen standen auch bei der Frauenerwerbstätigenquote eher schlecht da. Berlin lag 2005 mit einer Erwerbstätigenquote von 58,6 Prozent auf dem letzten Platz. Auch bei der Frauenerwerbstätigenquote kam die Hauptstadt nur auf den viertletzten Platz mit 56,9 Prozent. „Dass Bayern eine hohe Frauenerwerbstätigenquote hat, heißt aber nicht, dass es dort auch ausreichend Kita-Plätze gibt“, sagt Nicola Hülskamp vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. „Wenn ich mir die Zahlen für Bayern angucke, ist da noch eine Menge Nachholbedarf.“ Das Problem sei, dass alle Mütter, die in Elternzeit sind, als erwerbstätig erfasst seien, egal ob sie zu Hause bleiben oder arbeiten. Wie groß der Anteil an Müttern mit Kindern unter drei Jahren ist, geht aus der Statistik nicht hervor. Auch bleibt offen, wo die Mütter ihre Kleinkinder unterbringen. Herbert Buscher schätzt, dass Frauen in Bayern ihre Kinder häufiger von Verwandten betreuen lassen, weil die Familienstrukturen in Bayern stabiler seien als in anderen Bundesländern. Gleichzeitig attestiert er dem Freistaat eine klassische Rollenverteilung: „Für Frauen im Westen ist der Beruf oft nur ein Zuverdienst.“ Ihnen falle es leichter, ihren Job aufzugeben. Im Osten gebe es viele alleinerziehende Mütter, die auf eine volle Stelle angewiesen seien. Auch zwischen Wirtschaftskraft und der Erwerbstätigkeit von Frauen scheint es einen Zusammenhang zu geben: „Frauen arbeiten oft im Niedriglohnsektor. Ihre Stellen werden häufig als erste wegrationalisiert“, sagt Buscher.

Vergleicht man den Unterschied zwischen Frauen- und Männererwerbstätigkeit in den alten und neuen Bundesländern miteinander, so sind die neuen Länder sogar führend – bei ihnen ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen geringer: In Bayern arbeiten 77,1 Prozent der Männer und 62,9 Prozent der Frauen – ein Unterschied von 14,2 Prozentpunkten. In den meisten alten Bundesländern ist er ähnlich hoch. In Berlin liegt der Unterschied nur bei 3,2 Prozentpunkten: 60,1 Prozent der Männer und 56,9 Prozent der Frauen haben dort eine Arbeitsstelle.

Carolin Jenkner

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