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Im BLICK: Es geht nicht um die Burka

Anna Sauerbrey über den Ruf nach Verschleierungsverboten

Von Anna Sauerbrey

Die Schweizer haben den Reigen eröffnet. Ende November stimmten sie mehrheitlich für ein Bauverbot von Minaretten. Nun ziehen Dänen und Franzosen nach: Ihnen geht es um den Ganzkörperschleier. Die Dänen rufen alle öffentlichen Einrichtungen auf, das Tragen von Ganzkörperschleiern zu unterbinden, und auch in Frankreich wird nach den Empfehlungen einer Kommission der Ganzkörperschleier – im Allgemeinen als „Burka“ bezeichnet – wohl aus dem öffentlichen Raum verbannt werden.

Burka, so heißen die meist blauen Gewänder, die Frauen vor allem in Afghanistan tragen, eine Form der Verschleierung, die den Blick auf die Außenwelt nur durch ein Sichtnetz zulässt. Die Burka ist nicht die einzige Form der Ganzkörperverschleierung. In Saudi-Arabien etwa ist der Hidschab Pflicht, ein schwarzer Ganzkörperschleier, der nur Teile des Gesichts freilässt, ähnlich dem iranischen Tschador. Die Verschleierung ist zudem theologisch umstritten. Wie weit das Verschleierungsgebot gehen muss und darf, wird in verschiedenen Strömungen des Islams unterschiedlich beantwortet. Die Migranten bringen ihre religiösen und regionalen Varianten mit nach Europa.

Für Differenzierungen ist allerdings in der aktuellen Debatte kein Raum. Dass auf ein Verbot ohnehin absurde Umsetzungsschwierigkeiten folgen dürften, ist klar. Auch mit eng gefasstem Seidenschal und knöchellangem Trenchcoat lässt sich der Körper unkenntlich machen. Werden Kontrolleure beim Einsteigen in den Bus den Abstand von Mantelsaum und Fußknöchel messen, zwischen der Nase und den Rändern der Kopfbedeckung? Wie viel Stoff ist noch ein Angriff auf die Freiheit der Frau, die die neuen Feministen Europas nun so vehement verteidigen?

Ebenso wie im Fall der Minarette (ganze vier in der gesamten Schweiz) geht es auch im Falle der Burka (wenige hundert in ganz Dänemark) gar nicht um diese Fragen, sondern um den Bann von Ikonen des Anderen aus dem öffentlichen Raum. Nicht Integrations-, sondern Symbolpolitik wird betrieben – die alltägliche Realität oder die Rechte der Frau spielen da nur eine Nebenrolle. Symbolpolitik kann jedoch auch kontraproduktiv wirken. Der Kultur- und Sozialanthropologe Werner Schiffauer, der seit Jahren die Entwicklung islamischer Gemeinden in Deutschland beobachtet, ist deshalb froh, dass die Debatte bislang nicht nach Deutschland übergeschwappt ist.

„Die Mehrheitsgesellschaft ist gut beraten, die muslimischen Gemeinden die Auseinandersetzung selbst führen zu lassen. Es kann für die Anliegen der Frauen fatal sein, Applaus von der falschen Seite zu bekommen“, sagt Schiffauer. Aus seiner Sicht schließen sich eine konservative religiöse Weltsicht und eine hohe Integrationsbereitschaft nicht aus. Schiffauer sieht gerade in konservativen muslimischen Kreisen den Trend einer hohen Bildungs- und Aufstiegsbereitschaft, aber auch die selbstbewusste Forderung nach Toleranz. Maßnahmen, die als islamfeindlich gedeutet werden, würden deshalb jedes Mal einen Rückschritt bedeuten. Bleibt zu hoffen, dass deutsche Politiker den Mut haben, das Offensichtliche zu tolerieren – und sich weniger sichtbarer Probleme anzunehmen.

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