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Politik: In der Europa-Debatte dominieren die Wahlkampftöne

BONN .Der beginnende Wahlkampf hat am Donnerstag weitgehend die Europa-Debatte des Bundestages geprägt.

BONN .Der beginnende Wahlkampf hat am Donnerstag weitgehend die Europa-Debatte des Bundestages geprägt.Während Politiker der Regierungskoalition für den Fall eines SPD-Sieges bei der Bundestagswahl am 27.September vor einem Vertrauensverlust gegenüber Deutschland warnten, warf die Opposition der Bundesregierung vor, sie habe ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreicht.In einer Regierungserklärung bekräftigte Bundeskanzler Helmut Kohl das beim EU-Gipfel in Cardiff verkündete Ziel einer Verringerung der deutschen Beiträge an die Gemeinschaft.SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping und Grünen-Sprecher Joschka Fischer entgegneten, Kohl habe versucht, das europäische Spitzentreffen den deutschen Wahlkampf-Interessen unterzuordnen.

Mit einem Anteil von 28 Prozent sei Deutschland der größte Nettozahler in der EU, sagte Kohl.Damit erhält es jährlich rund 22 Milliarden Mark weniger aus Brüssel, als es an die Gemeinschaftskasse entrichtet.Daß Deutschland am meisten bezahle, sei angesichts seiner Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft "verständlich und auch richtig".Die Partner müßten jedoch "begreifen", daß im Rahmen der europäischen "Agenda 2000" eine Finanzreform zu einer fairen Lastenverteilung führen müsse, forderte Kohl.Finanzminister Theo Waigel (CSU) unterstrich, daß die Bundesrepublik dabei keine Ausnahmeregelung anstrebe wie vor Jahren Großbritannien, sondern eine allgemeine Regelung, die zur Korrektur der überdurchschnittlichen deutschen Belastungen führe.

Ebenso wie Kohl und Waigel wies auch Außenminister Klaus Kinkel (FDP) darauf hin, daß die "Herkules-Aufgabe" der europäischen Reformen nach der Bundestagswahl anstehe.Das "Zeitfenster" sei nur vom Oktober 1998 bis April 1999 geöffnet.Daher sei es so wichtig, daß die erfahrene Regierung im Amt bleibe, wenn Deutschland zu Beginn des kommenden Jahres die EU-Ratspräsidentschaft übernehme.Weite Teile seiner Regierungserklärung bestritt Kohl mit dem Verweis auf die wirtschaftspolitischen Erfolge seiner Regierung im Inland.Die Konjunktur gewinne an Fahrt, auf dem Arbeitsmarkt sei die Trendwende erreicht.Damit sei die Bundesrepublik in die europäische Spitzenklasse zurückgekehrt.

Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Scharping hatte Kohls Regierungserklärung den "Charakter eines Abgesangs".Er kreidete dem Bundeskanzler besonders an, daß er versäumt habe, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Europa an die erste Stelle der Tagesordnung zu setzen.Ähnlich forderte er eine Entbürokratisierung der Institution der EU und darüber hinaus mehr Rechte für das Europa-Parlament sowie eine Agrarreform und eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.Joschka Fischer kritisierte den Bundeskanzler, weil er sich "nationale Zwecke zur Beruhigung des rechten Randes in der CSU" zu eigen gemacht habe.Es sei illusorisch zu verbreiten, Deutschland könne seine Lasten in der EU verringern.Wenn die Gemeinschaft erweitert werde, sei sogar mit einem Anstieg zu rechnen.Fischer setzte sich im Namen seiner Partei ausdrücklich für die EU-Erweiterung ein und wies den Vorwurf zurück, die Grünen wollten den Ausstieg aus der NATO.PDS-Gruppenchef Gregor Gysi lastete Kohl an, er habe die hohe Belastung Deutschlands im Rahmen der EU mitverschuldet.

Jenseits der Wahlkampftöne wurde die Bundestagsdebatte zu einem parteiübergreifend bewegenden Abschied für den früheren Finanz- und Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg.Kohl, Scharping, Fischer und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth dankten ihm für sein Engagement.Stoltenberg, der mit fast 70 Jahren nicht wieder für den Bundestag kandidiert, forderte in seiner letzten Parlamentsrede ein "Europa der Bürger".Dazu müßten alle dafür sorgen, daß die Zuständigkeit der Europäischen Union wieder auf das notwendige beschränkt werde.THOMAS KRÖTER

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