zum Hauptinhalt
Radioaktiv-Zeichen

© dpa

Atomkraft: In Deutschland gescheitert, in China neu gebaut

Der Hochtemperaturreaktor sollte sicherer sein als herkömmliche Atomkraftwerke, machte in Deutschland aber nur Probleme. Dann versuchte sich Südafrika daran, und gab ebenfalls auf. Jetzt will China einen Kugelhaufenreaktor bauen.

China setzt beim Ausbau der Atomenergie auch auf einen in Deutschland entwickelten und gescheiterten Kraftwerkstyp. Auf der Halbinsel Schandong, bis 1898 deutsche Kolonie, wird ein Hochtemperaturreaktor (HTR) gebaut. Beteiligt sind die Tsinghua-Universität in Peking und mehrere chinesische Konzerne, berichten örtliche Medien. In dem auch Kugelhaufenreaktor genannten HTR sind die von einem Grafitmantel umhüllten kugelförmigen Brennelemente aus Thorium und hoch angereichertem und damit waffenfähigem Uran übereinander aufgeschichtet. Gekühlt werden diese Reaktoren mit Helium. In Deutschland wurde der bislang einzige kommerzielle HTR im westfälischen Hamm 1989 unter anderem wegen schwerwiegender technischer Mängel stillgelegt.

Der umgerechnet fast 3,5 Milliarden Euro teure Reaktor lieferte nur an 423 von 1600 genehmigten Volllasttagen Strom. Schon beim Befüllen des Reaktors 1985 gab es den ersten Unfall. Eine Brennelementekugel blieb in einem Rohr stecken und musste herausgeblasen werden, dabei wurde radioaktiver Staub freigesetzt. Im Schatten der Katastrophe von Tschernobyl 1986 entwich ein Jahr später strahlendes Tritium aus dem Reaktor. „Durch seine zahllosen belegten Störfälle stellte sich heraus, dass der Hochtemperaturreaktor nicht weniger Sicherheitsrisiken hat als Leichtwasserreaktoren, sondern nur andere“, sagt Horst Blume von der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm. Der frühere Vorsitzende der Reaktorsicherheitskommission, Lothar Hahn, bezeichnete den HTR-Betrieb als „gefährlichen Großversuch“. Öko-Institut-Geschäftsführer Michael Sailer wies auf die Gefahr hin, dass im HTR Tritium für Atomwaffen produziert werden kann.

Bereits 1988 war ein kleiner Versuchs-HTR im Forschungszentrum Jülich stillgelegt worden. Die theoretischen Arbeiten zum Thema gingen in Jülich aber weiter. Zuletzt wurde dort zum 1. März ein promovierter Wissenschaftler eingestellt, der an der Weiterentwicklung des HTR forscht. In Südafrika wurde die Entwicklung dieser Reaktorlinie nach investierten 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2010 abgebrochen.

Nun versucht sich also China an dieser deutschen Erfindung. Bereits im Februar 2005 hatte das Entwicklungs- und Reformkomitee der Provinz Schandong die Errichtung eines HTR angekündigt. Der Baubeginn verzögerte sich aber immer wieder, auch der Bau selbst wurde mehrfach gestoppt, zuletzt nach dem Atomunglück in Fukushima. Die Inbetriebnahme des „Kernkraftwerks der vierten Generation“ ist offiziellen Quellen zufolge nun für das Jahr 2015 geplant. Denn hinter den insgesamt rund 6600 Megawatt des Kraftwerkskomplexes verstecken sich zudem mehrere Druckwasserreaktoren herkömmlicher Bauweise. Der chinesische HTR soll 200 Megawatt leisten. Die Brennelementekugeln für den Reaktor sollen nach Recherchen chinesischer und deutscher Umweltschützer im 700 Kilometer nordwestlich gelegenen Industriekomplex Baotou in der Inneren Mongolei gefertigt werden. Dort schürfen chinesische Unternehmen auch nach Seltenen Erden, die für die Produktion von Plasmabildschirmen, Akkus und Magneten wichtig sind. Der Abbau dieser heiß begehrten Metalle hat in der Region Baotou zu erheblichen Umweltbelastungen und der Vertreibung von Anwohnern geführt. Auf den Abbauhalden liege das radioaktive Thorium „tonnenweise“ herum, sagen Aktivisten. Die Behörden verweisen darauf, dass das Thorium für die Verwendung in Brennelementen entsorgt als auch für die Energiegewinnung genutzt wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false