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Politik: In eigener Sache

Reid nutzt die Terrorkrise auch, um sich zu profilieren – wie beim EU-Innenministertreffen in London

Der britische Innenminister John Reid hat am Mittwoch seine EU-Kollegen in London über den neuesten Stand der Terrorfahndung informiert. Solche Treffen sind Routine. Für Reid war es eine Gelegenheit, sich auch auf einer internationalen Bühne als kompetenter Krisenmanager zu präsentieren. Reid übernahm im Kampf gegen den Terror die britische Führungsrolle, während Tony Blair Badeurlaub in der Karibik macht.

An Prägnanz ließ es der Schotte auch gestern nicht fehlen. Erst tröstete er Urlauber, deren Ferien sich in Warteschlangen und gestrichenen Flügen auflösen. „Besser sein Gepäck verlieren, als sein Leben“, sagte er in Anspielung auf die 5000 Gepäckstücke, die im Chaos bereits verloren gingen. Dann appellierte er an die Einheit der Europäer im Kampf gegen den Terror.

Ganz Europa sei von den neuen Formen des Terrorismus bedroht, sagte er nach der Innenministertagung. Das Treffen bezeichnete er als Symbol für die Entschlossenheit der EU, angesichts der Bedrohung zusammenzustehen. „Hier stehen gegensätzliche Wertesysteme gegeneinander. Menschenrechte, demokratische Freiheit, Gerechtigkeit für alle gegen einen intoleranten, gewalttätigen Totalitarismus, der den Islam als eine friedliebende Religion zerstört.“

Schon nach den Londoner Bombenanschlägen vom Juli 2005 hatten die Briten die EU-Partner zu neuen gemeinsamen Aktionen gedrängt – etwa bei der Überwachung der Computer- und Mobilfunkkommunikation. Der für die innere Sicherheit zuständige EU-Kommissar Franco Frattini sagte nun zu, die Antiterrorismus-Politik der EU werde in all ihren Dimensionen mit voller Kraft umgesetzt.

24 Tatverdächtige waren am Mittwoch Abend in Haft, alle britische Muslime. Die Polizei hatte am Dienstag einen weiteren Mann im Gebiet von High Wycombe verhaftet. In der Nacht zum Mittwoch lief die erste Haftfrist für die Männer ab. Die Polizei kann Verdächtige nach dem erst vor kurzem novellierten Terrorismusgesetz bis maximal 28 Tage in Haft halten, bevor sie Anklage erheben oder die Männer freilassen muss. Scotland Yard dürfte diese Frist voll ausschöpfen, um möglichst viele Erkenntnisse und Beweise zusammenzutragen, bevor Anklage erhoben wird.

Das Hauptaugenmerk richtet sich nun auf den in Pakistan verhafteten angeblichen Rädelsführer und Al-Qaida-Verbindungsmann Raschid Rauf. Er soll den Anschlag geplant haben. Ihm wird nun auch eine Führungsrolle bei der Planung der Londoner U-Bahnanschläge vom 7. Juli 2005 nachgesagt, bei denen 52 Menschen ums Leben kamen. Nach Berichten der „Times“ hat Großbritannien ein Verfahren zur Auslieferung Raufs bereits eingeleitet.

Während die Polizei ihre Arbeit tut, haben bei den Politikern die Querelen begonnen. Kaum aus dem Urlaub zurück, versuchte Oppositionsführer David Cameron, mit einer Attacke auf Labours Sicherheitspolitik Kapital aus der Krise zu schlagen. Es sei unentschuldbar und „bizarr“, dass Schatzkanzler Gordon Brown den Haushalt des Innenministeriums für drei Jahre eingefroren habe. „Unglaublich“ konterte Vizepremier John Prescott, nominell der amtierende Regierungschef.

Innenminister Reid scheinen die Debatten zu beflügeln. Er überlässt dem unbeliebten John Prescott Nebenschauplätze wie frustrierende Gespräche mit muslimischen Minderheitenvertretern, und konzentriert sich auf medienwirksame Auftritte im Fernsehen. „Er ist hier, dort und überall. Klar, dass er sich als Kandidat für die Labourführung sieht“, meint der Labourlinke Ian Gibson. Wie er glauben viele Labourhinterbänkler, dass Reid den Terroralarm nutzt, um seine Bewerbung um die Nachfolge Tony Blairs vorzubereiten. Als getreuer Eckart Blairs wäre er der ideale Gegenkandidat der „Blairites“ gegen den von vielen Linken favorisierten Gordon Brown. Der glänzte zuletzt wie oft in Krisen durch Abwesenheit. Allerdings mit guter Entschuldigung: Brown macht Vaterschaftsurlaub.

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