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Politik: In Gaza glaubt noch keiner an den Waffenstillstand

Zwischen Hamas und Fatah herrscht gespannte Ruhe – und eine Einheits-Regierung liegt in weiter Ferne

Es ist ruhig in den engen Straßen von Gaza. Wieder ruhig, noch ruhig. Nach den mörderischen Kämpfen der letzten Tage öffnen die ersten Geschäfte wieder, auch die Schulklassen beginnen sich wieder zu füllen. Vor den Banken bilden sich Warteschlangen all derjenigen, auf deren Konten Lohn oder Sold eingelaufen sind. Denn es gibt Geld – entweder von der Hamas-Regierung mit geschmuggelten Spendengeldern, vom Präsidialamt Mahmud Abbas’ mit von Israel endlich ausgezahlten Zoll- und Steuergeldern in Höhe von 100 Millionen Dollar, oder von der EU als Lohnspenden. Man will Bargeld in der Tasche und im Versteck zu Hause haben. Denn wer weiß, wann die Bankschalter wieder geschlossen werden, wann im Gazastreifen wieder Bürgerkrieg herrscht.

Natürlich ist man froh über die mit ägyptischer Hilfe zwischen Ministerpräsident Ismail Hanija von der Hamas und Mitarbeitern des Präsidenten Mahmud Abbas von der Fatah vereinbarten Waffenruhe. Sie trat um 3 Uhr Ortszeit in der Nacht auf Dienstag in Kraft, nachdem die seit Donnerstag anhaltenden Kämpfe mindestens 33 Tote gefordert hatten. Auch Kinder waren unter den Opfern.

Doch niemand glaubt jetzt an die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, die eine längere Kampfesruhe garantieren könnte. Zwar sollen, so Hamas-Außenminister Mahmud as Sahar, alle Kämpfer aus den Straßen zurückgezogen, die Kontrollposten abgebaut und alle Geiseln freigelassen werden. Doch die uniformierten Angehörigen der konkurrierenden Sicherheitsorgane halten ihre Positionen an allen strategisch wichtigen Punkten in Gaza aufrecht. Und dass wirklich alle Geiselnehmer den Befehlen folgen werden, ist schon deshalb zweifelhaft, weil viele von ihnen schlichte Kriminelle sind.

Schon am Dienstagnachmittag wurde aus Khan Junis wieder ein Hamas-Toter gemeldet, vereinzelt fielen Schüsse.

„Wenn Israel Häuser in Gaza attackiert und versucht, auf die Anführer des palästinensischen Widerstandes zu zielen, wäre dies die einzige Lösung um die Kämpfe zu stoppen“, sagt Fadi Abu Sada. Er ist kein wild gewordener zionistischer Nationalist, sondern ein bekannter palästinensischer Journalist. Mit diesen Worten in seinem Blog im „Palestinian News Network“ macht er sich vermutlich ein paar Todfeinde unter seinen Landsleuten. Aber seine Analyse trifft zu: Das hat gerade der Terroranschlag in der israelischen Badestadt Eilat gezeigt. Der Islamische Dschihad wollte damit ausdrücklich die sich bekämpfenden Hamas und Fatah darauf aufmerksam machen, dass Israel am meisten von den Kämpfe profitiert, nach wie vor der gemeinsame Feind ist und auch nur gemeinsam bekämpft werden kann. Dahinter steht die Hoffnung, dass die Zivilbevölkerung, die unter dem Bürgerkrieg leidet, sich von den beiden Parteien ab- und dem Kampf gegen Israel zuwendet.

Hamas und Fatah kämpfen in Verhandlungen wie im blutigen Straßenkrieg um die Macht im Noch-nicht-Staat Palästina. Präsident Abbas hatte ihn mit der Drohung ausgelöst, das von der Hamas beherrschte Parlament aufzulösen und damit auch die Regierung Hanija zu stürzen. Die Fatah hofft, nach Wahlen wieder allein an der Macht zu sein und einen demokratischen Staat zu etablieren.

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