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Immer wieder haben Aktivisten, wie hier Anfang März, vor der saudischen Botschaft in Berlin für die Freilassung Badawis demonstriert.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Inhaftierung von Raif Badawi: Urteilsspruch gegen Blogger jährt sich zum ersten Mal

Vor einem Jahr verhängte Saudi-Arabien die drakonische Strafe gegen den Blogger Raif Badawi. Aktivisten fordern seine Freilassung, auch heute vor der saudischen Botschaft in Berlin. Zugleich beobachten sie weitere Unterdrückung der freien Meinungsäußerung.

„Warum bist du im Gefängnis, Papa? Stimmt es, dass es daran liegt, dass du eine Webseite gegründet hast, die zur sozialen und politischen Diskussion aufruft?“ In einem Brief an seinen Vater Raif Badawi stellte der zehnjährige Doudi die Frage, die viele umtreibt. Der Blogger Raif Badawi ist seit mehr als zwei Jahren in seiner Heimat Saudi-Arabien inhaftiert. Vor einem Jahr, am 7. Mai 2014, wurde er zu zehn Jahren Gefängnis und 1.000 Stockhieben verurteilt. Auch über seinen Fall hinaus werde die freie Meinungsäußerung zunehmend unterdrückt, beklagen Menschenrechtler.

Die ersten 50 Schläge gegen Badawi wurden im Januar in Dschidda vollstreckt - öffentlich, auf einem Platz vor der Al-Jafali-Moschee, nach dem Freitagsgebet. Die folgenden Hiebe wurden immer wieder aufgrund medizinischer Bedenken verschoben, zuletzt am 1. Mai. Menschenrechtler und Politiker weltweit fordern einen sofortigen Stopp der Strafe und die Freilassung des Bloggers.

Proteste zum Jahrestag auch in Berlin geplant

Der 31-jährige Badawi ist gebürtiger Saudi. Vor mehreren Jahren gründete er in seiner Heimat das Internetportal „Die saudischen Liberalen“. Es sollte eine Plattform mit Berichten und Analysen über seine Heimat sein, kritisch und offen. Dabei scheute er nicht, politische und religiöse Entscheidungen oder Institutionen in dem streng islamischen Königreich zu kritisieren. Für die absolute Monarchie war das zu viel: Badawi wurde vorgeworfen, den Islam auf seinem Portal beleidigt zu haben. Im Juni 2012 verhafteten ihn die Sicherheitsbehörden, seine Webseite wurde geschlossen.

Seither versuchen Organisationen wie Amnesty International, die auch den Brief von Badawis Sohn öffentlich machte, sowie Demonstranten und Politiker, das Königreich von einer Vollstreckung der Strafe abzubringen - durch Proteste und unzählige Aufrufe im Internet. Auch am heutigen Jahrestag kündigte Amnesty für 13 Uhr eine erneute Protestaktion vor der Saudischen Botschaft in der Tiergartenstraße in Berlin an.

Badawi ist kein Einzelfall

Bundestagspräsident Norbert Lammert kritisierte das Vorgehen von Saudi-Arabien zu Jahresbeginn scharf. Er beklagte, dass Saudi-Arabien erst das Attentat auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ in Paris als „feigen Terrorakt“ verurteilt habe, „der gegen den wahren Islam verstößt“, um zwei Tage später Badawi öffentlich auspeitschen zu lassen. Mit staatlicher Autorität werde im Namen Gottes „gegen Mindeststandards der Menschlichkeit verstoßen“, sagte Lammert. Zudem sei Badawi kein Einzelfall, betonen Aktivisten. „Immer wieder werden Menschen drangsaliert, verfolgt oder gar getötet, weil sie angeblich religiöse Werte verletzen“, heißt es im aktuellen „Amnesty Journal“. Reporter ohne Grenzen (ROG) forderte Saudi-Arabien am Mittwoch auf, alle inhaftierten Journalisten und Blogger „bedingungslos freizulassen“. Die Strafe gegen Badawi sei nur die Spitze des Eisbergs, „ein Auswuchs der systematischen Unterdrückung jeder abweichenden Meinung“, sagte Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin.

Auch in anderen Ländern werden unliebsame Berichterstatter ausgeschaltet

Derzeit sind laut ROG mindestens zwei Journalisten und sieben Online-Aktivisten in Saudi-Arabien inhaftiert. Zensur sei in dem Königreich alltäglich: Verboten seien etwa Kritik an Religionsführern und ungenehmigte Berichte über Gerichtsverfahren. Auch Berichte über die Proteste der schiitischen Minderheit oder Kritik an der Diskriminierung von Frauen würden bestraft. Hunderttausende Internetseiten seien gesperrt.

In anderen Ländern sieht es Amnesty zufolge ähnlich aus. Im Februar wurde der religionskritische Blogger Avijit Roy in seiner Heimat Bangladesch auf offener Straße ermordet. Klagen werden derzeit auch über Aserbaidschan laut, das im Juni die European Games ausrichten wird. Laut ROG nutzen immer mehr Länder das Verbot von Gotteslästerung, um gegen unliebsame Berichterstatter vorzugehen. Neben Saudi-Arabien gehören dazu auch Iran oder Kuwait. Zudem schaffen Terrorgruppen wie der Islamische Staat im Nahen Osten „schwarze Nachrichtenlöcher“, so ROG bei der Vorstellung der „Rangliste der Pressefreiheit“ im Februar: Von dort gelange keinerlei unabhängige Information mehr an die Außenwelt.

Ehefrau kommt nach Deutschland

Die Deutsche Welle hatte dem 31-jährigen Blogger Raif Badawi im Februar den erstmals ausgelobten Preis im Rahmen seines internationalen Online-Wettbewerbs „The Bobs - Best of Online Activism“ zuerkannt. Nun kommt dessen Ehefrau, Ensaf Haidar, die mit den Kindern in Kanada lebt, zum Global Media Forum nach Bonn. Auf der Medienkonferenz der Deutschen Welle vom 22. bis 24. Juni werde sie stellvertretend für ihren Mann den „Deutsche Welle Freedom of Speech Award“ entgegennehmen, teilte der deutsche Auslandssender am Mittwoch mit. KNA

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