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Politik: Interview mit PDS-Fraktionschef Wolf

Bei allen politischen Gegensätzen eint CDU und PDS die Aussicht, jeweils im West- wie im Ostteil deutlich die stärkste Kraft zu werden. Axel Bahr sprach mit dem PDS-Fraktionsvorsitzenden Harald Wolf.

Bei allen politischen Gegensätzen eint CDU und PDS die Aussicht, jeweils im West- wie im Ostteil deutlich die stärkste Kraft zu werden. Axel Bahr sprach mit dem PDS-Fraktionsvorsitzenden Harald Wolf.

Schöpfen Sie nach Brandenburg Hoffnung, am 10. Oktober zweitstärkste Kraft in Berlin zu werden?

Unser Wahlziel, drittstärkste Kraft zu werden, wird zur Zeit in der Tat von der SPD stärker bedroht als von den Grünen. Die Talfahrt der SPD scheint anzuhalten. Bei den Wahlen in Thüringen und in Nordrhein- Westfalen wird es wieder eine Abfuhr für die SPD geben. Das wird den Abwärtstrend in Berlin verstärken. Überraschungen will und kann ich nicht ausschließen.

In Berlin könnte künftig die CDU den Westen und die PDS den Osten dominieren, während der SPD ein Wahldebakel droht.

Wir haben den Trend, dass CDU und PDS gestärkt werden - die einen im Westen, wir im Osten. Das mündet in der noch deutlicheren Ausprägung von zwei Parteiensystemen in einer Stadt, wie sie eigentlich bereits vorhanden sind. Nur wird das von den alten West-Parteien nicht anerkannt. Daraus resultiert eine Blockade der Politik.

Wenn sich diese Lagerbildung weiter verstärkt, wird auch die politische Sprachlosigkeit zunehmen. Müssen CDU und PDS lernen, miteinander zu reden?

Es ist an der Zeit, den Kalten Krieg auch in Berlin zu beenden. Ein Dialog zwischen den beiden in Ost und West dominierenden Parteien muss stattfinden. Ich schlage der CDU vor, noch im Wahlkampf gemeinsam zwei Diskussionsveranstaltungen - zum Beispiel eine in Marzahn, eine in Zehlendorf - zu Bilanz und Perspektiven nach zehn Jahren Einheit zu veranstalten. Die Politik der CDU, die Ressentiments des Kalten Krieges zu ihrer Herrschaftssicherung weiter nutzt, muss durchbrochen werden. Beide großen Parteien in Ost und West haben einfach die Verantwortung, den Dialog aufzunehmen.

Erwarten Sie von der CDU nicht zu viel?

Ja, das ist viel erwartet von der CDU. Die CDU ist die typische Westpartei. Sie verfolgt die Spaltung der Stadt und damit eindeutig parteipolitische Interessen. Die CDU kann diese Situation nutzen, indem sie permanent mit der "Rote-Socken-Kampagne" droht, SPD und Grüne zu paralysieren. Diese Parteien werden zwischen diesen Blöcken Ost und West einfach zerrieben. Insofern hat die CDU kein Interesse, die politische Einheit herbeizuführen. Trotzdem bleibt es beim Angebot an die CDU, diese Diskussion zu führen. Sie wird erklären müssen, weshalb sie sich weigert, dieser Einladung zu folgen.

Auch in Ihrer Partei dürfte das Angebot nicht nur Freudenrufe auslösen.

Es gibt fast nichts, was in der PDS unumstritten ist. Unsere Perspektive besteht nicht darin, die Spaltung der Stadt zu zementieren. Wir wollen im eigenen Interesse bei der inneren Einheit vorankommen und die Blockadesituation überwinden.

Wenn sich die SPD nach der Wahl nicht mehr an einer Großen Koalition beteiligt und ein CDU-Minderheitssenat installiert wird - wären Sie zum Tolerieren bereit?

Die CDU ist für uns weder Tolerierungs- noch Koalitionspartner, weil wir in der politischen Grundorientierung zu weit entfernt sind. Wenn die SPD wirklich den Mut haben sollte, sich einer neuen Großen Koalition zu verweigern, was man abwarten muss, dann werden wir gegenüber einem CDU-Minderheitssenat Opposition sein. Das heißt aber nicht, dass wir der CDU in Einzelfragen unsere Zustimmung verweigern - falls diese vernünftige Vorschläge macht. Das ist normales parlamentarisches Prozedere.

Wo könnten Sie mit der CDU auf einen Nenner kommen?

Wenn die CDU zum Beispiel Vorschläge für ein Schulsanierungsprogramm macht, dann ist das keine Frage, an der wir eine politische Blockade aufbauen. So kann ich mir viele Vorschläge vorstellen. Aber es gibt keine Gemeinsamkeiten in den Grundrichtungen und den Grundlinien der Politik.

Sprechen Sie eigentlich mit CDU-Kollegen im Abgeordnetenhaus?

Natürlich. Man spricht im Abgeordnetenhaus mit allen Kollegen von allen Fraktionen, auch mit CDU-Kollegen.

Und die gehen auch auf Sie zu?

Im Hauptausschuss gibt es ein sehr kollegiales Verhältnis, und da gibt es durchaus auch in der einen oder anderen Frage ein Zugehen von CDU-Politikern auf uns.

Kommunikation ist also grundsätzlich mit der CDU möglich?

Kommunikation ist grundsätzlich möglich auf der Ebene der Sachpolitik. Sie findet nicht statt, wenn in der Öffentlichkeit die "Rote-Socken-Kampagne" inszeniert wird. Da bestimmen Ausgrenzungsrituale die Szene. Kommunikation ist nicht möglich, wenn die CDU das Spiel der Spaltung zur Stabilisierung ihrer dominierenden Rolle im Berliner Parteiensystem spielt.

Können Sie Animositäten und Antipathien gegenüber der PDS auf Grund der Historie nicht nachvollziehen?

Doch, das kann ich. Wir sagen ja auch, dass dies eines der großen Probleme dieser Stadt ist. Die Folgen der Teilung, die Folgen der Berliner Mauer sind in dieser Stadt noch nicht überwunden. Es gibt in West-Berlin erhebliche Ressentiments, Berührungsängste und Befürchtungen gegenüber der PDS. Deshalb muss dieser Dialog endlich stattfinden. Es kann nicht sein, dass Ost und West diese Situation zehn Jahre nach dem Fall der Mauer nicht überwinden, dass wir nicht in Normalität einkehren. Es geht nicht um einen Schlussstrich oder darum, die Vergangenheit zu vergessen. Aber vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Vergangenheit in Ost und West und auch der unterschiedlichen Perspektiven auf diese Vergangenheit sollte ein produktives Miteinander stattfinden. Schließlich leben wir in einer gemeinsamen Stadt und müssen eine gemeinsame Zukunft entwickeln.

Entscheidet sich die Brandenburger SPD für eine Kooperation mit der PDS, welche Folgen hat das für Berlin?

Das wird die Diskussion über eine mögliche Rot-Rote Zusammenarbeit in Berlin beleben. Dann wird man sehen, ob die SPD in der Lage ist, aus der babylonischen Gefangenschaft der CDU auszubrechen; ob sie in der Lage ist, eine souveräne Position einzunehmen oder ob sie lieber abhängige Variable der CDU-Politik und Gefangene der "Rote-Socken-Kampagne" ist. Ich fürchte, diese Frage wird die SPD erst nach dem 10. Oktober intensiv diskutieren, weil dann der Scherbenhaufen bilanziert werden muss, den sie mit ihrer Strategie angerichtet hat.

Aus Ihrer Bundespartei kam in der vergangenen Woche harsche Kritik an unausgereiften Programmatiken in den Landesverbänden. Teilen Sie diese Kritik?

Nun, ich will jetzt keine detaillierte Bewertung der Wahlprogramme der anderen Landesverbände vornehmen. Wichtig ist mir, dass in dem von Ihnen zitierten Papier festgestellt wird, dass Berlin sich sehr ernsthaft und ausführlich dem Problem der finanzpolitischen Handlungsspielräume und der Einschränkung dieser Handlungsspielräume gestellt hat. Wir haben uns beispielsweise mit einem konkret finanzierbaren Einstieg in ein Reformszenario in unserem Wahlprogramm ausführlich auseinandergesetzt.

Schöpfen Sie nach Brandenburg Hoffnung[am 10]

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