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Irak: Bush sieht keinen Bürgerkrieg

Trotz eines alarmierenden Pentagon-Berichts sieht US-Präsident George W. Bush keinen Bürgerkrieg im Irak. Es handele sich um eine sehr kleine Anzahl von Irakern, die religiös motivierte Gewalttaten verübten, sagte Bush.

Washington/Bagdad - In seiner wöchentlichen Radioansprache erklärte der US-Präsident, die "überwältigende Mehrheit" der Menschen wolle Frieden und ein normales Leben in einem geeinten Land. Nach einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums sind im Irak alle Bedingungen eines Bürgerkriegs gegeben, er könne aber noch verhindert werden. Bei Angriffen und Anschlägen starben am Samstag mindestens 36 Menschen. Die US-Behörden räumten das berüchtigte Gefängnis Abu Ghraib und übergaben es an die örtlichen Behörden.

Bush sagte, die Terroristen verstünden, dass ein demokratischer Irak ihre Sache bedrohe. So führten sie eine blutige Kampagne religiös motivierter Gewalt, um das Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Daran sei jedoch lediglich eine kleine Gruppe beteiligt. Am Donnerstag hatte Bush einen vorzeitigen Abzug der etwa 138.000 US-Soldaten ausgeschlossen.

In dem am Freitag veröffentlichten Pentagon-Bericht hieß es, die Bedingungen, die zu einem Bürgerkrieg führen könnten, "sind da". Bei der gegenwärtigen Gewalt handele es sich jedoch nicht um einen solchen, "das Abgleiten dahin kann verhindert werden". In den vergangenen drei Monaten sei die durchschnittliche Zahl der Angriffe pro Woche um 15 Prozent im Vergleich zum letzten Quartals-Bericht gestiegen, die Zahl der getöteten Iraker um 51 Prozent. Die meisten Gewalttaten ereigneten sich demnach in der Hauptstadt Bagdad.

Regierung zunehmend abgekoppelt von Ereignissen

Die demokratische Minderheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, sagte, der Bericht zeige, dass die Zahl der Angriffe gegen US-Bürger und Iraker höher sei als je zuvor. "Der Krieg im Irak ist ein falscher Krieg." Der Chef der Demokraten im Senat, Harry Reid, erklärte, Bush, Vize-Präsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld seien zunehmend abgekoppelt von den Fakten im Irak.

Bei einer Serie von Angriffen und Anschlägen starben am Samstag mindestens 36 Menschen, unter ihnen 14 schiitische Pilger aus Indien und Pakistan. Aufständische töteten die Pilger in der Nähe der schiitischen Stadt Kerbala südlich von Bagdad mit Schüssen, wie ein Sprecher der irakischen Regierung mitteilte. In der Nähe der Stadt Samarra ermordeten Unbekannte zudem sechs Lastwagenfahrer, wie die Polizei mitteilte. Bei weiteren Angriffen im Norden und Süden der Hauptstadt töteten Bewaffnete 16 Zivilisten und Polizisten.

Regierung soll für Sicherheit sorgen

Großayatollah Ali Sistani forderte die Regierung auf, für Sicherheit im Land zu sorgen. Wenn dies nicht gelinge, würden "andere Gruppen" die Kontrolle übernehmen, warnte der oberste schiitische Geistliche nach einem Treffen mit Regierungschef Nuri el Maliki am Samstag in Nadschaf. Mit seiner Äußerung spielte Sistani möglicherweise auf Schiitenmilizen wie die Mehdi-Armee des radikalen Schiitenführers Moktada Sadr an.

Die US-geführte Koalition habe die leere Haftanstalt Abu Ghraib im Westen Bagdads am Freitag an den Irak übergeben, sagte ein irakischer Regierungssprecher am Samstag. "In dem Gefängnis sind jetzt keine Häftlinge mehr." Unter Saddam Hussein waren in dem Gefängnis tausende politische Gefangene gefoltert und ermordet worden. Nach dem US-geführten Einmarsch im Irak geriet Abu Ghraib erneut in die Schlagzeilen: Im Frühjahr 2004 gelangten Bilder an die Öffentlichkeit, auf denen die Misshandlung von Gefangenen durch US-Soldaten zu sehen war. Bislang wurden neun US-Soldaten zu Strafen verurteilt. (tso/AFP)

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