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Politik: Iraks größter Versuch mit der Demokratie

14 400 Sitze, ein knappes Drittel der Kandidaten Frauen – von der Wahl zu den Regionalparlamenten hängt viel ab für das Land

Die Grenzen sind geschlossen, in Bagdad und vielen Städten gelten Fahrverbot und Ausgangssperre, selbst der Flugbetrieb ruht. Kinder spielen auf den leer gefegten Straßen, während ihre Eltern an den mit Stacheldraht gesicherten Wahllokalen anstehen. 100 000 Polizisten und Soldaten sind aufgeboten, um die Menschen vor Selbstmordattentätern zu schützen. Unter den Augen von 800 internationalen Beobachtern wählten am Samstag 15 Millionen Iraker in 14 von 18 Provinzen neue Regionalparlamente. Um die 444 Sitze bewerben sich mehr als 14 400 Kandidaten, darunter 3900 Frauen – die größte demokratische Veranstaltung in der Geschichte des Landes. Nur in den drei autonomen kurdischen Provinzen Arbil, Dohuk und Sulaimaniyah findet die Regionalwahl zu einem späteren Zeitpunkt statt. Und in der ölreichen Provinz Kirkuk wurde die Abstimmung auf unbestimmte Zeit verschoben, da sich die ethnischen Gruppen nicht auf einen Modus zur Gewaltenteilung verständigen konnten. Die ersten Ergebnisse der Wahl werden für Dienstag erwartet.

Für den Irak ist dieser 31. Januar ein wichtiger Test auf dem Weg hin zu einem stabilen, demokratischen Land. Bislang hält sich die Gewalt in Grenzen. Sechs Polizisten und ein Zivilist wurden im Norden Bagdads durch eine Bombe verletzt. In Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit explodierten vier Granaten, ohne Schaden anzurichten. Allerdings wurden in der letzten Woche vier Kandidaten erschossen – doch diese Mordtaten blieben die Ausnahme. Die Straßen sind mit bunten Wahlplakaten übersät. Die Kandidaten nutzten die relative Ruhe für öffentliche Veranstaltungen, bei denen Wähler ihnen sogar Fragen stellen konnten – eine Premiere für den von Gewalt geplagten Irak. „Ich rufe meine Brüder und Schwestern auf, wählen zu gehen“, erklärte Ministerpräsident al Maliki in Bagdad. Nach seinen Worten ist eine hohe Wahlbeteiligung Indikator dafür „dass die Menschen ihrer Regierung und den Wahlen trauen“. Und sie sei Beweis dafür, „dass das irakische Volk nun in richtiger Sicherheit lebt“.

Auch im Weißen Haus verfolgt man den Tag mit Spannung, weil sein Verlauf den Zeitplan für den Abzug der 142 000 US-Soldaten beeinflussen könnte. „Der Präsident hält die Provinzwahlen für einen weiteren wichtigen Meilenstein in der demokratischen Entwicklung des Irak“, erklärte Barack Obamas Sprecher. Obama hat sein Sicherheitsteam angewiesen, einen Plan für einen verantwortungsvollen Rückzug auszuarbeiten – doch die Einwände gegen ein schnelles Ende der US-Präsenz mehren sich.

Die neu gewählten Regionalparlamente spielen eine doppelte Rolle. Ihre Abgeordneten bestimmen die mächtigen Provinzgouverneure, und sie kontrollieren regionale Finanz- und Wiederaufbaumittel in einer Größenordnung von rund 2,5 Milliarden Dollar. Zugleich gilt ihre künftige Zusammensetzung als Indikator für die Stärke der Parteien bei den Ende des Jahres stattfindenden nationalen Parlamentswahlen. „Es wird keine perfekte Wahl werden, das wissen wir alle“, sagte der scheidende US-Botschafter Ryan Crocker. „Aber es ist wichtig, dass die Wahl glaubwürdig verläuft.“

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