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Viele Einwohner fliehen derzeit aus Ramadi.

© Ahmed Jalil/dpa

IS-Terror in Syrien und Irak: "Islamischer Staat" ist weiterhin stark

Die Terrormiliz „Islamische Staat“ musste zwar einige Niederlagen in Kobane und Tikrit hinnehmen. Doch die Macht der Dschihadisten in Syrien und dem Irak ist fast ungebrochen.

Die Verteidiger kämpften bis zum letzten Schuss. Fünf Tage lang flehten sie um Verstärkung. Als dem irakischen Bataillon am Morgen die Munition ausging, war ihr Schicksal besiegelt. Die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ (IS) hatten leichtes Spiel, eroberten das Tharthar-Militärcamp 70 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Ramadi und nahmen brutale Rache. Der Kommandeur, ein Dutzend Offiziere sowie 120 Soldaten wurden nach Berichten irakischer Medien am Wochenende hingerichtet – das größte Massaker des IS an irakischen Streitkräften seit der Massenerschießung von 1700 Rekruten im vergangen Juni nach der Eroberung von Tikrit.

Die Niederlagen stoppen den IS nicht

Seit zwei Wochen toben die heftigen Gefechte in der westirakischen Provinz Anbar, mehr als 100.000 Menschen sind auf der Flucht. Ein Video zeigt Kämpfer der Terrormiliz auf dem Staudamm des Tharthar-Sees, mit dem der Wasserfluss des Tigris durch Bagdad reguliert wird. Auf dem Funkturm der Schleusenverwaltung wehte ihre schwarze Flagge – die Macht des „Islamischen Staates“ ist keineswegs gebrochen, auch wenn dessen Kämpfer nach ihrem raschen Vormarsch im Sommer 2014 in Kobane und Tikrit erste schwere Niederlagen einstecken mussten. Insgesamt hat die Miliz ihr syrisch-irakisches Kernterritorium, auf dem acht bis zehn Millionen Menschen leben, trotz 3200 alliierter Luftangriffe weitgehend halten können. Und selbst wenn es gelingt, die Extremisten zurückzuschlagen oder zu vertreiben, versinken die umkämpften Städte in Schutt und Asche. Kobane ist nach fünf Monaten Krieg so zerstört, dass jetzt ein Teil als Ruinenmuseum abgesteckt und an anderer Stelle neu aufgebaut werden soll. In Tikrit sind die Verwüstungen genauso gewaltig wie der politische Flurschaden durch die Racheaktionen der schiitischen Milizen an den sunnitischen Bewohnern. Die Zweimillionenstadt Mossul haben die IS-Extremisten jetzt fast ein Jahr lang fest im Griff. Mit ihrer Rückeroberung soll angeblich noch in diesem Jahr begonnen werden.

Die Islamisten haben weltweit viele Anhänger

Doch die Hindernisse sind riesig. Die irakische Armee verfügt nach Einschätzung von US-Militärexperten lediglich über 50.000 voll einsatzfähige Soldaten. Der Rest der nominell 280.000 Mann starken Truppe existiert nur auf dem Papier oder ist praktisch ohne Gefechtsausbildung. Die kurdischen Peschmerga im Nordirak haben momentan 120.000 Mann unter Waffen, die nur über wenige alte Panzer und Geschütze verfügen und keine Großoffensive gegen den IS führen können. Nach eigenen Angaben haben die Kurden seit vergangenem Dezember rund 20.000 Quadratkilometer zurückerobert, ohne jedoch bisher die Ninive-Ebene oder das gesamte Sindschar-Tal befreien zu können. Ihre Verluste sind hoch: 1200 Peschmerga starben, 5900 wurden verwundet.

Zudem ist die ideologische Anziehungskraft des „Islamischen Staates“ nach wie vor ungebrochen, der sich parallel zu seinem Kalifats-Territorium in Syrien und Irak auch zu einem transnationalen Terrorimperium entwickelt. 6000 Europäer kämpfen nach Schätzungen von Brüssel in den Reihen der Dschihadisten. Aus den arabischen Staaten stammen 15.000 Kämpfer, die größten Kontingente kommen aus Tunesien, Saudi-Arabien und Marokko. Geworben werden die „Gotteskrieger“ vor allem im Internet und in radikalen Moscheen. Nach einer Studie der Brookings Institution verfügt der IS über 46.000 bis 70.000 Twitterkonten, die jeweils im Durchschnitt 1000 Follower haben. Mehr als ein Dutzend Terrorbrigaden haben dem selbst ernannten Kalifen Abu Bakr al Baghdadi mittlerweile die Treue geschworen, darunter radikale Gruppen in Libyen, Algerien und Tunesien, in Ägypten und Jordanien sowie jüngst auch im Jemen.

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