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Politik: Israel rückt wieder in Gazastreifen vor

Nach Angriff der Palästinenser schließt Armee auch einen Vergeltungsschlag auf Premier Hanija nicht aus

Ein palästinensischer Angriff auf einen Grenzposten der israelischen Armee hat am Wochenende mindestens vier Menschen das Leben gekostet – je zwei auf beiden Seiten – und einen israelischen Einmarsch in den südlichen Gazastreifen ausgelöst. Israels Generalstabschef Dan Halutz beschuldigte am Sonntagnachmittag die radikalislamische Hamas und deren Premier Ismail Hanija, „von Anfang bis Ende“ in die Attacke verwickelt gewesen zu sein, bei der auch ein israelischer Soldat entführt wurde. Halutz wollte keinerlei Vergeltungsaktion ausschließen, als er auf die Möglichkeit einer gezielten Attacke gegen Hanija angesprochen wurde. Palästinensischen Quellen zufolge sollen verschiedene Hamas-Anführer aus Furcht vor israelischen Attacken in den Untergrund gegangen sein.

Ungewiss blieb, ob sich Präsident Mahmud Abbas und Regierungschef Hanija am Sonntagabend noch zu ihrem geplanten abschließenden Gespräch über die so genannte „Gefangeneninitiative“ treffen würden. Zuvor war Samstagnacht eine weitgehende Einigung über das Dokument erzielt worden, das eine Zwei-Staaten-Lösung und so die indirekte Anerkennung Israels vorsieht. Sollten sich die beiden noch treffen, würden sie wohl nicht das Dokument, sondern die extrem gespannte Lage nach dem grenzüberschreitenden Angriff und dem israelischen Gegenschlag erörtern, hieß es in Gaza.

Erstmals seit dem israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen vor zehneinhalb Monaten war am Sonntag das militante Palästinenserkommando auf israelisches Territorium vorgedrungen und hatte einen grenznahen Armeeposten attackiert. Der Angriff erfolgte beim derzeit gesperrten Grenzübergang Kerem Shalom am Südende des Gazastreifens, nahe der palästinensischen Stadt Rafah. Dabei wurden ein israelischer Offizier und ein Soldat getötet. Zwei Palästinenser starben, die weiteren sechs Angehörigen des Kommandos konnten durch ein Loch im Grenzzaun in den Gazastreifen entkommen. Die acht Angreifer waren im Morgengrauen durch einen wohl über hundert Meter langen Tunnel unter den Grenzschutzanlagen bis zum 300 Meter entfernten Armeeposten vorgedrungen. Als Ablenkungsmanöver eröffneten andere Palästinenser das Feuer mit Mörsern und Panzerabwehrgeschossen. Das Kommando attackierte den Wachturm, einen daneben postierten Panzer und einen leeren Schützenpanzer. Dabei wurde außerdem ein weiterer Soldat oder möglicherweise dessen Leiche verschleppt.

Israelische Panzertruppen drangen unmittelbar nach der Attacke in den südlichen Gazastreifen ein, offiziell um den vermissten Soldaten zu suchen. Bulldozer zerstörten mehrere Posten der palästinensischen Polizei, um ein breites Sicht- und Schussfeld zu schaffen. Man gehe davon aus, dass der Soldat lebe, sagte Generalstabschef Halutz. Allerdings hatte zuvor das extremistische Volkswiderstandskomitee (PRC) die Verantwortung für die Attacke übernommen und behauptet, sie hätten die Leiche eines israelischen Soldaten entführt. Später erklärte die radikalislamische Hamas, sie werde ohne israelische Gegenleistung keinerlei Informationen über den Soldaten preisgeben.

Präsident Abbas verurteilte die palästinensische Attacke und ließ verlauten, Israel verlange die Freilassung des Soldaten innerhalb eines Tages, ansonsten hätten die Palästinenser mit schlimmsten Konsequenzen zu rechnen. Er selbst bat Ägyptens Präsidenten Hosni Mubarak und Jordaniens König Hussein, auf Israel einzuwirken, um Schlimmstes zu verhindern. Israels Premier Ehud Olmert machte ausdrücklich sowohl Abbas als auch die Hamas-Regierung verantwortlich für „den schlimmen Terrorakt“ sowie für mögliche unschuldige Opfer auf Seiten der Palästinenser als Folge der israelischen Reaktion.

Der Vorsitzende des Hamas-Politbüros und damit der eigentliche Chef der Bewegung, Khaled Mashaal, soll nach palästinensischen Quellen aus seinem Exil in Damaskus den Angriffsbefehl bestätigt haben. Man habe damit die gezielte Tötung eines PRC-Kommandanten vor einem Monat sowie den Tod von sieben palästinensischen Familienmitgliedern am Strand von Gaza vor zwei Wochen rächen wollen. Laut israelischem Militär beteiligten sich mehrere palästinensische Gruppen an der lange vorbereiteten Attacke, die von einem Hamas-Kameramann aus der Ferne dokumentiert wurde. Die Videoaufnahmen wurden ein paar Stunden später von mehreren arabischen Fernsehsendern ausgestrahlt.

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