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Tel Aviv: Israels Panik vor palästinensischem Antrag auf staatliche Anerkennung.

Israel und seine Regierung zwischen Konfrontation und Dialog. Ein Konzept zum Umgang mit dem Plan der Palästinenser gibt es nicht.

Das Wort September löst bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und etlichen seiner Minister lange schon Panik aus. Noch in diesem Monat wollen die Palästinenser bei den Vereinten Nationen ihren historischen Antrag auf staatliche Anerkennung einbringen (auch wenn noch offen ist, welche Form die Palästinenserführung hierfür schlussendlich wählen wird) und könnten, so warnte Verteidigungsminister Ehud Barak, einen politischen Tsunami gegen Israel auslösen. Eine mögliche dritte Intifada, einen neuen palästinensischen Volksaufstand, fürchten rechts stehende Experten.

Derzeit noch beherrschen die Kampfhandlungen mit dem Gazastreifen die Gemüter. Die israelische Regierung versucht verständlicherweise den jüngsten Terrorangriff und die wiederholten Raketenangriffe zu nutzen, um den Plan der Palästinenser zur Anerkennung zu diskreditieren: Mit den Terroristen des Gazastreifens sei kein Staat zu machen.

Ministerpräsident Netanjahu und seine Minister reisten um die Welt, um Regierungen für ein Nein zum palästinensischen Antrag zu gewinnen. Die israelische Position sieht dabei folgendermaßen aus: Mit ihrem „einseitigen Schritt“ verhinderten die Palästinenser jegliche „Verhandlungen auf der Basis eines beidseitigen Kompromisses“, die den „einzigen Weg zur Lösung des Konfliktes“ darstellten. Allerdings macht das Ausland mehrheitlich Israel für den nun schon zweieinhalb Jahre andauernden Stillstand im Verhandlungsprozess verantwortlich, nicht zuletzt aufgrund der einseitigen Schritte Israels, in Form der andauernden Siedlungspolitik.

Selbst der Knessetausschuss für Außen- und Sicherheitspolitik kommt nach dreimonatiger Arbeit zu einem ernüchternden Fazit: Der Regierung fehlt es an einem klaren und einheitlichen Konzept. Sie ist schlecht vorbereitet. Denn die beiden wichtigsten Minister reden mit unterschiedlichen Stimmen. Laut Verteidigungsminister Barak dürfte sich nach der UN-Abstimmung der Druck auf Israel massiv verstärken. Deshalb tritt er für einen Dialog mit den Palästinensern ein und spricht sich für eine neue politische Initiative aus. Außenminister Avigdor Lieberman vertritt genau die gegenteilige Ansicht: Das Ganze sei nur eine Kapriole von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und eine israelische Initiative sei derzeit unangebracht. Lieberman und Finanzminister Yuval Steinitz fordern aggressive Vorwärtsverteidigung. Alle Kontakte zu den Palästinensern abbrechen, so Lieberman; die Steuer- und Zolleinnahmen der Palästinenserbehörde zurückhalten, so Steinitz.

Lieberman beschuldigte Mahmud Abbas, es keineswegs bei den angekündigten Großkundgebungen in den palästinensischen Städten belassen, sondern die Massen an die Übergänge nach Israel führen zu wollen, um dort die gewaltsame Konfrontation mit den Besatzungstruppen zu suchen.

Doch die eigentlichen Befürchtungen sind noch andere: Falls aus den palästinensischen Gebieten ein weltweit anerkannter Staat wird, verändert das den völkerrechtlichen Status der israelischen Armee und insbesondere der Siedlungen und der Siedler. Bekanntlich werden diese laut Völkerrecht als illegal angesehen. Israel weist bisher diese Kritik zurück mit dem Hinweis, es habe kein fremdes Staatsgebiet besetzt, denn Jordanien und Ägypten hätten das Westjordanland beziehungsweise den Gazastreifen zwischen 1948 und 1967 nicht ihrem jeweiligen Staatsgebiet einverleibt, sondern nur verwaltet und beherrscht. Daher treffe das internationale Recht nicht zu.

Anders wäre jedoch die juristische und politische Sachlage, sobald der Staat Palästina existiert. Dann könnten die Palästinenser auf die Idee kommen, gegen hohe israelische Offiziere und Offizielle oder auch Siedler vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vorzugehen. Juristen allerdings sind der Meinung, Klagen gegen Siedler hätten kaum eine Chance.

Für alle Fälle bereitet sich die Armee vor, was in dem Knesset-Bericht gelobt wird. Ihr stehen dazu erstmals, nach über vier Jahrzehnten der Besatzung, technische und taktische Mittel zur Auflösung von Demonstrationen ohne Waffengewalt zur Verfügung, wie zum Beispiel Wasserwerfer.

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