zum Hauptinhalt

Politik: IWF-Jahrestagung: Der Welthandel als Haifischbecken

Seit Seattle scheint alles anders zu sein. Früher haben die Herren der Weltbank, des IWF und der WTO ihre Jahrestagungen weitgehend ungestört von der breiten Öffentlichkeit in noblen Herbergen abhalten können.

Seit Seattle scheint alles anders zu sein. Früher haben die Herren der Weltbank, des IWF und der WTO ihre Jahrestagungen weitgehend ungestört von der breiten Öffentlichkeit in noblen Herbergen abhalten können. Nur eine Handvoll Fachjournalisten waren dabei, oft seit Jahren dieselben. Sie waren schon fast ein Teil dieser Institutionen. In Seattle hat sich im vergangenen Herbst eine breite Empörung über die angeblich verheerenden und schädlichen Auswirkungen der Globalisierung und des freien Welthandels und speziell der Politik dieser beiden mächtigen Finanzinstitutionen in großen, lärmenden Demonstrationen und Straßenschlachten niedergeschlagen. Vor allem die so genannten Nicht-Regierungsorganisationen wie die Umweltverbände und auch die Kirchen, haben die Arbeiten heftig kritisiert und am Tagungsort weitgehend blockiert. Prag droht ein ähnliches Szenario.

Warum aber entsteht heute eine so breites öffentliches Interesse an den Aktivitäten von Weltbank und IWF? Und warum begegnen ihren Aktivitäten so viele Menschen mit Hass? Die Anworten liegen auf der Hand: Die Globalisierung der Wirtschaft wird von vielen Menschen als Bedrohung ihrer Existenz empfunden - nicht als Chance. Das liegt daran, dass die Prozesse, die mit einer zunehmenden Internationalisierung einhergehen, vom Volk - übrigens auch von deren Politikern - meist nicht verstanden werden.

Zunächst gehen alte Pfründe, lange beherrschte Märkte, alte Arbeitsplätze verloren. Das macht Angst. Dann bleibt ungewiss, ob die neuen Chancen und der in Aussicht gestellte höhere Wohlstand tatsächlich eintreten. Dass diese Wirkungen fast immer eintreten und festzustellen sind, auch in einer großen Gruppe früherer armer Entwicklungsländer (Südostasien), ist statistisch belegt. Die meisten Politiker fördern diese eher skeptisch-ängstliche Haltung der Menschen zur Globalisierung dadurch, dass sie ständig vom Zwang zur Globalisierung reden. Damit ist das negative Bild geprägt - der Welthandel als globalisiertes Haifischbecken - und nicht das Postulat einer sinnvollen Wachstumspolitik.

Wirkliche Ängste lösen auch die mit der weltweiten Vernetzung immer stärkeren Abhängigkeiten für einzelne Länder, Firmen und Menschen von Entscheidungen anderer aus. Die aktuellen Sorgen um die steigenden Erdölpreise und die von "unsichtbaren Händen" scheinbar manipulierten Wechselkurse der großen Währungen nähren die Träume von kleinen, überschaubaren, gut steuerbaren Volkswirtschaften. Die globalen Märkte, vor allem die riesigen Finanzmärkte werden zu Symbolen für Zauberlehrlingseigenschaften. Sie wirken - auch in falsche Richtungen -, und keiner kann sie mehr beherrschen. Da ist es ein Ausdruck von Hilflosigkeit, wenn nicht nur Kanzler Schröder, sondern auch die Zentralbanker sagen, der Euro wäre fundamental falsch bewertet, aber niemand einen zuverlässigen Hebel kennt, um eine wünschbare Korrektur herzustellen. Dabei wird vergessen, dass eine einzelne nationale Währung derartigen spekulativen Bewegungen in viel stärkerem Ausmaß ausgeliefert wäre.

Der dritte Grund für die geringe Popularität oder die wachsende Aversion gegen IWF und Weltbank liegt in ihren konkreten Aktivitäten. Der IWF macht seine finanzielle Unterstützung von einer überzeugenden Wirtschafts- und Finanzpolitik in den einzelnen Ländern abhängig. Deutschland bietet ein anschauliches Beispiel für die enormen politischen Widerstände, die damit zwangsläufig verbunden sind. Alle Reformen, die dazu angelegt sind, die Grundlage für ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum zu schaffen, umweht ein übler Hauch sozialer Kälte. Sieht man auf die Auflagen des IWF, in Ländern, in denen die soziale Not größer und die Einsicht der Menschen in wirtschaftliche sinnvolles Handeln noch geringer ist, weht gar ein starker Sturm der Entrüstung. Dennoch werden die anstehenden Reformen für den IWF an dieser grundsätzlichen Zielrichtung seiner Interventionen und Hilfestellungen nichts ändern. Nur: Gewisse Forderungen sind nicht von der Hand zu weisen. Zum Beispiel jene, nach der der IWF künftig sensibler auf unterschiedliche Kulturen, verletzbare soziale Systeme, andere Mentalitäten und politische und administrative Voraussetzungen bei der Formulierung seiner konkreten Programme für die einzelnen Länder eingehen sollte. Tailored to measure, ohne den Grundschnitt zu verändern.

Anders bei der Weltbank. Sie finanziert große Infrastrukturprojekte und bedeutsame private Investitionen ganz überwiegend in Ländern der Dritten Welt. Viele dieser Projekte haben sich als Flops erwiesen. Manche Fehler hätte man im voraus erkennen und vermeiden können, bei vielen war Korruption im Spiel, und bei anderen hat die wachsende Kenntnis von schädlichen Wirkungen auf die Ökosysteme, auf die Umwelt und auf die sozialen Befindlichkeiten erst später zu einem negativen Urteil geführt. Dennoch: Eine Vielzahl der von der Weltbank betreuten und finanzierten Projekte sind für die jeweiligen Länder und Regionen außerordentlich segensreich.

Beiden Institutionen ist gemeinsam, dass sie keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen, die jeweiligen Aufsichtsgremien stark politisch und weniger sachlich arbeiten. Auch das erklärt einen Teil der öffentlichen Wut derjenigen, die sich an diesen beiden globalen Institutionen reiben. Doch diese Menschen fürchten eigentlich nur allzu viele Veränderungen in ihren Wirtschaften und in ihren privaten Lebensbereichen.

Heik Afheldt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false