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Japan: Der Premier strauchelt

Die Opposition erobert nach den Wahlen am Wochenende die Mehrheit im japanischen Oberhaus – doch der Regierungschef Shinzo Abe will trotzdem im Amt bleiben.

Die in Japan regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) hat eine Teilwahl für das Oberhaus verloren. Nach Auszählung eines Großteils der zur Wahl stehenden Sitze hat die oppositionelle Demokratische Partei (DPJ) eine klare Mehrheit der Sitze in der zweiten Kammer des Parlaments errungen. Noch am Wahlabend begann im Land eine Diskussion über das politische Schicksal von Premier Shinzo Abe. Den Regierungschef wählt zwar das Unterhaus. Doch dann hatte sich vor der Oberhauswahl die Ansicht durchgesetzt, dass Erfolg oder Misserfolg Abes zur Abstimmung stünden.

Der Amtsinhaber selbst gibt sich trotz der verlorenen Wahl selbstbewusst. „Ich nehme das Wahlergebnis ernst, werde aber auf jeden Fall im Amt bleiben“, sagte Premier Abe. Es sei seine Mission, Japan eine neue Nachkriegsordnung zu geben. Das Wahlergebnis richte sich nicht gegen seine Reformprojekte, sondern zeige den Ärger der Wähler über technische Probleme der staatlichen Rentenversicherung. Diese werde er bald lösen. Durch eine Panne waren bei der Rentenversicherung Millionen Einzahlungsbelege unwiederbringlich verlorengegangen.

Abe war erklärtermaßen im Wahlkampf das Gesicht der LDP. Auch aus Teilen seiner eigenen Partei war daher in den Tagen vor der Wahl die Forderung zu hören, er solle bei einem schlechten Abschneiden durch einen Rücktritt die Verantwortung übernehmen. Offenbar will er aber nur das Kabinett umbilden. Traditionell rotiert der Posten des Regierungschefs zwischen den Untergruppen der Partei, doch Abe ist bereits der dritte Premier aus der gleichen Gruppe. Die anderen Untergruppen sehen nun ihre Chance, wieder zum Zuge zu kommen.

Auch falls Abe dem Druck von allen Seiten vorerst standhält, wird das politische Leben nun schwer für ihn. „Wenn die LDP im Oberhaus in der Minderzahl ist, kriegen wir Probleme beim Regieren“, sagte Mikio Aoki, der Fraktionsvorsitzende der LDP-Oberhausfraktion. Zwar beschließt das Unterhaus die Gesetze, doch sie bedürfen der Zustimmung des Oberhauses, um in Kraft zu treten. Bisher war Aoki auch Präsident der Kammer, verliert diesen Posten jedoch mit der Mehrheit an die DPJ. Der Generalsekretär der siegreichen DPJ, Yukioi Hatoyama, sagte, die Wahlen zeigten, „wie groß die Unzufriedenheit der Japaner“ sei.

Zur Wahl stand die Hälfte der Sitze des Oberhauses. Die neue Situation entspricht noch nicht den Problemen, mit denen der Bundestag konfrontiert ist, wenn er gegen den Bundesrat regieren muss: Die LDP hat derzeit im Unterhaus eine Zweidrittelmehrheit und kann damit die Ablehnung eines Gesetzes durch das Oberhaus in einer zweiten Abstimmungsrunde aufheben. Beide LDP-Kandidaten für Tokio haben verloren, darunter die frühere TV-Ansagerin Tamayo Marukawa.

LDP-Fraktionschef Aoki schließt für sich selbst einen Rücktritt nicht aus, sagt aber, er würde es akzeptieren, wenn Abe im Amt bleibt. „Ich hoffe, dass die Abgeordneten der DPJ vernünftig sind und gute Gesetze bestätigen, auch wenn sie von uns kommen“, sagte Aoki. Der künftige Oberhauspräsident Azuma Koshiishi von der DPJ bestätigte diese Möglichkeit, fügte aber präzisierend hinzu: „Wenn die Gesetze tatsächlich gut sind.“

Finn Mayer-Kuckuk

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