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Politik: Jawort beim zweiten Versuch

Ein breites Bündnis aus Regierung und Opposition hat den Meinungsumschwung in Irland bewirkt

Der Weg für eine Erweiterung der EU nach Osten ist frei: Die Iren haben in ihrem zweiten Referendum über den Vertrag von Nizza mit deutlicher Mehrheit für das EU-Abkommen gestimmt. Da ein Sechstel der Wahlkreise erstmals elektronisch ausgezählt wurden, lagen erste Endergebnisse schon gegen Mitternacht am Samstag vor. Mit ihrem Votum für die Ost-Erweiterung haben die Bürger und Bürgerinnen der Republik Irland ihre knappe Entscheidung vom Juni 2001 rückgängig gemacht.

Die ersten sieben ausgewerteten Wahlkreise lagen allesamt im Pendlergürtel Dublins, wo die Nutznießer des irischen Wirtschaftswunders der letzten Jahre besonders zahlreich vertreten sind. Die Wahlbeteiligung von 50 Prozent und die Ja-Mehrheit von fast 67 Prozent konnte landesweit allerdings nicht ganz durchgehalten werden. In den traditionellen Arbeitervierteln von Dublin und in den Hochburgen der Sinn- Fein-Partei lag der Anteil der Nizza-Gegner höher. Nach vorläufigen Ergebnissen hat aber nur einer von 42 Wahlkreisen – im äußersten Nordwesten – mehr Nein- als Ja-Stimmen abgegeben. Landesweit verringerte sich die Zahl der Gegner im Vergleich zum letzten Jahr leicht, während sich die Zahl der Befürworter fast verdoppelte.

Die Regierung hat es mit ihrer Kampagne offenbar geschafft, die Sorgen der Bevölkerung vor einer Gefährdung der irischen Neutralität aufzufangen. Allerdings hat die irische Wählerschaft dieses Mal eine andere Frage beantwortet als bei dem Votum im vergangenen Jahr: 2001 wurde über den Nizza-Vertrag an sich abgestimmt, 2002 bekräftigten die Iren mit ihrer Abstimmung vielmehr, dass sie Teil einer größer werdenden Europäischen Union sein wollen.

Das bestehende Ratifikationsverfahren erlaubt nämlich keine differenzierte Aussage, so dass ein Land zwar die fortschreitende europäische Integration befürworten, einen bestimmten Vertragsentwurf aber für mangelhaft halten kann. Die Sorge des kleinen Irland um seinen Einfluss in einer gestrafften EU nach Nizza und der Zorn darüber, dass die ursprüngliche demokratische Ablehnung hochmütig ignoriert wurde, sind aber mit dem klaren Ergebnis vom Samstag nicht verschwunden. Der Europäische Konvent hat Warnsignale aus Irland erhalten.

Die erleichterte irische Koalitionsregierung von Premierminister Bertie Ahern darf sich auch bei ihren Gegnern bedanken: Die eigentliche Opposition stellte sich mit großer Begeisterung hinter die Ratifikationskampagne, und frühere Premierminister der bürgerlichen Fine Gael-Partei trugen erheblich zum Meinungsumschwung bei. Und die buntscheckigen Gegner des Nizza-Vertrags kamen diesmal in den Dunstkreis fremdenfeindlicher, ja sogar rechtsextremer Gruppierungen, von denen sich linke und grüne Gegner fieberhaft absetzen mussten.

Auch die Grünen kamen unter Beschuss, weil sie sich anmaßten, mit ihrem Nein das Gemeinwohl der Kandidatenländer zu verteidigen, und weil Irlands bescheidene Leistungen im Umweltschutz ausschließlich dem Druck der EU zu verdanken sind. Eine Meinungsumfrage kurz vor der Abstimmung hatte ergeben, dass die Iren der EU-Kommission mehr Glaubwürdigkeit beimessen als ihrer eigenen Regierung.

Martin Alioth[Dublin]

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