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Politik: Jede Stimme zählt

Rot-Grün bangt um die eigene Mehrheit bei der Abstimmung über den Gesundheitskompromiss

Von Hans Monath

Uschi Eid muss einen weiten Umweg machen. Eigentlich wäre es für den Steuerzahler erheblich preiswerter, wenn die Parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungsministerium diese Woche direkt von New York nach Tokio weiterfliegen würde, um an einer Konferenz über afrikanische Entwicklung teilzunehmen. Doch nun wird die Grünen-Abgeordnete, die vor den Vereinten Nationen über Aids-Bekämpfung redet, erst über den Atlantik nach Berlin zurückkehren, bevor sie sich dann nach Fernost aufmacht. Denn bei der Abstimmung des Bundestags über den Gesundheitskompromiss am Freitagmorgen benötigt Rot-Grün jede Stimme.

Zwar braucht niemand um die Gesundheitsreform zu bangen, weil auch die Union im Parlament für den gemeinsamen Kompromiss stimmen wird. Doch um Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit der Regierung unter Beweis zu stellen, verlangen die Spitzen von SPD und Grünen eine eigene Mehrheit von ihren Abgeordneten – und die war Mitte der Woche noch lange nicht gesichert.

SPD-Fraktionschef Franz Müntefering bemühte sich wie sein Fraktionsgeschäftsführer Willy Schmidt in Einzelgesprächen um zögernde oder unwillige Parlamentarier. „Wir wollen sie alle an Bord haben“, verkündete Schmidt. Der Politiker, der seinem Geschäft meist mit stoischer Gründlichkeit nachgeht, zeigte sich am Mittwoch vor Journalisten nervös und empfindlich. Zu Fragen nach der Verantwortung von Minister Manfred Stolpe (SPD) für das Maut-Debakel und SPD-Generalsekretär Olaf Scholz für Kommunikationsdefizite der Partei meinte Schmidt schließlich: „Lassen Sie doch diesen Quatsch mit der Personalisierung!“

Kein Wunder: Nach der bayerischen Wahlniederlage wartet die Opposition nur darauf, beim Verfehlen der Koalitionsmehrheit den endgültigen Zusammenbruch der Kanzler-Autorität zu verkünden. Und das Bayern-Ergebnis drückt in der SPD-Fraktion mächtig auf die Stimmung: „Wir haben uns gegenseitig geschworen, dass es besser werden soll“, fasste Willy Schmidt die Debatte zusammen. Für den „Faktor von Unglaubwürdigkeit“ machte er auch wieder die von den Grünen angezettelte Debatte über die Bürgerversicherung verantwortlich.

Der Attacke folgte die Mahnung: Schmidt empfahl, das Verhältnis zum Koalitionspartner „im Lichte der Abstimmung vom Freitagvormittag“ zu beurteilen. Sprich: Die SPD sieht auch die Grünen in der Bringschuld.

Von zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen war Mitte der Woche in deren Reihen die Rede. Zwar zeigte sich Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck zuversichtlich, dass die eigene Mehrheit stehen werde. Freilich machte er auch deutlich, dass allzu viele Koalitionsabgeordnete an diesem Tag nicht fehlen dürfen. Zur Not, so heißt es bei den Grünen, werde eben auch Außenminister Joschka Fischer vorzeitig von der UN-Vollversammlung in New York nach Berlin zurückfliegen müssen, um mit seiner Stimme einen Eklat zu verhindern.

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