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Schönbohm

© dpa

Schönbohm-Interview: "Jeder Innensenator in Berlin ist eine arme Sau"

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm will, dass der Staat besser auf Gewalt und terroristische Bedrohungen reagieren kann. Im Interview spricht er über Bundeswehreinsätze im Innern und die hohe Gewaltbereitschaft bei radikalen Demos.

Herr Schönbohm, Sie und Wolfgang Schäuble wollten eine rechtliche Grundlage schaffen, damit die Einsätze der Bundeswehr im Inneren ermöglichen beziehungsweise vereinfachen.

Die meisten Kritiker lesen unseren Bericht "Innere Sicherheit" nicht. Da steht kein expliziter Vorschlag drin, das Grundgesetz zu ändern. Wir Innenminister glauben aber, dass Situationen denkbar sein könnten, "die" ­ - ich zitiere ­ - "nur mit militärischen Fähigkeiten und Mitteln gelöst werden könnten".

Offenbar findet sich für eine Grundgesetzänderung keine Mehrheit. Die SPD legte ihr Veto ein, ebenso die FDP.

Aus polizeilicher Sicht wäre eine Grundgesetzesänderung wünschenswert. Aber wie man das umsetzt, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Unsere Aufgabe ist es, die Gefahren nüchtern zu benennen. Und das haben wir mit der Verabschiedung des "Programm Innere Sicherheit" (PIS) getan. Wir haben festgestellt, dass wir Lücken haben. Wir wollen, dass der Staat auf terroristische Bedrohungen reagieren kann, nicht mit der Begründung eines Notstandes, sondern juristisch voll und ganz abgesichert. Das tragen alle Innenminister mit.

Klingt nach einem Minimalkompromiss.

Bei einer Innenministerkonferenz muss man kompromissbereit sein.

Noch einmal: Schäubles Ziel war es, die Rechtsgrundlage zu verändern. Ist der Innenminister mit seinem Vorhaben also gescheitert?

Nein, Schäuble ist nicht gescheitert. In den Koalitionsverhandlungen haben wir uns darauf verständigt, dass nach dem Vorliegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zum Luftsicherheitsgesetz, eine Lösung zu den noch offenen Fragen des Einsatzes der Bundeswehr im Innern gefunden werden. Es gab schon Formulierungsvorschläge, wie und wo man das Grundgesetz ändert. Aber die SPD war letztlich doch nicht bereit dazu. Stattdessen betreibt sie wieder Wahlkampf: Wenn etwa ihr an sich durchaus besonnener Innenexperte Dieter Wiefelspütz davor warnte, dass bald vor jedem Kindergarten ein Panzer steht, dann schürte das Angst.

Aber nicht nur Sozialdemokraten sind gegen die Änderung des Grundgesetzes. Auch der FDP-Innenminister Ingo Wolf aus Nordrhein-Westfalen sagte, eine Vermischung der militärischen und polizeilichen Mittel sei der falsche Weg. Auch viele unserer Leser argumentieren ähnlich.

Noch mal für alle: Für normale Verhältnisse reicht die Polizei weiter, natürlich. Im Falle terroristischer Bedrohungen kann es Lagen geben, wo der Einsatz der Bundeswehr unabdingbar ist. Vor zehn Jahren konnte sich noch niemand vorstellen, was einmal mit dem World Trade Center passiert. Sie sind noch jung genug. Sie werden noch erleben, dass etwas Ähnliches auch in Deutschland passieren kann. Warten wir ab, was bis zum Wahltermin im September noch passiert.

Haben Sie etwa konkrete Hinweise auf einen Terror-Anschlag in Deutschland?

Wer weiß, wie Terroristen denken, der weiß, dass der Zeitraum vor wichtigen Wahlen immer gefährdet ist. Ich will aber um Gottes Willen nichts herbeireden. Wenn wir allerdings erst einmal einen Anschlag haben, will all die theoretischen Debatten keiner mehr hören.

Ähnlich kontrovers wurde vor der Innenministerkonferenz diskutiert, wie sich die Gewalt auf Demonstrationen eindämmen lässt. Zuletzt gab es ja heftige Ausschreitungen in Berlin zum 1. Mai ...

Jeder Innensenator in Berlin ist eine arme Sau. Als früherer Berliner Senator weiß ich, wovon ich spreche: Man hat viel zu wenig Polizisten und ein hohes Gewaltpotenzial in seiner Stadt. Wir suchen natürlich nach Konzepten, um diese Gewaltbereitschaft zu reduzieren.

Ihr CDU-Innenministerkollege aus Niedersachsen plädierte für ein Verbot radikaler Demos, ganz gleich ob von links oder rechts.

Natürlich geht oft von extremistischen Gruppen eine hohe Gewaltbereitschaft aus. Aber Maßnahmen, die es vereinfachen, Demonstrationen zu verbieten, waren nicht Gegenstand der Innenministerkonferenz.

Die Fragen stellte: Michael Schlieben

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