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In bester Erinnerung. Die 100-jährige Mutter nahm an der Seligsprechung teil.

© AFP

Jerzy Popieluszko: Priester des Protests

Der Vatikan spricht Jerzy Popieluszko selig – und 100.000 Polen sind in Warschau mit dabei. Popieluszko ist für viele Polen ein Symbol des gemeinsamen Kampfes der demokratischen Opposition und der katholischen Kirche gegen die Unterdrückung unter der kommunistischen Herrschaft.

Sein Seligsprechungsprozess hat erst spät eingesetzt und war schwierig. Im vergangenen Jahr jedoch vollstreckte Papst Benedikt XVI. den Willen seines polnischen Vorgängers und erkannte dem bescheidenen Priester Jerzy Popieluszko den heroischen Tugendgrad zu.

„Solidarnosc kämpft auf den Knien und mit dem Rosenkranz in der Hand“, pflegte Jerzy Popieluszko immer zu sagen. Vier Jahre lang kämpfte er an der Seite der polnischen Arbeiter, dann wurde er vom Geheimdienst ermordet. Am Sonntag sprach ihn der päpstliche Gesandte Angelo Amato in Warschau selig. Papst Benedikt XVI., der gerade auf Zypern weilt, würdigte Popieluszko als Vorbild für die katholischen Geistlichen Polens. „Sein unermüdlicher Dienst und sein Martyrium sind ein besonderes Zeichen für den Sieg des Guten über das Böse“, sagte der Papst in einem polnischen Grußwort während eines Gottesdienstes auf Zypern am Sonntag.

Da der Innenhof seiner einstigen Dienstkirche die Massenveranstaltung nicht fassen konnte, wurde auf dem zentralen Warschauer Pilsudcki-Platz gebetet, zuletzt Schauplatz der Trauerfeiern für das Präsidentenpaar Lech und Maria Kaczynski. Neben 250 000 Gläubigen waren etwa 100 Bischöfe und 1600 Priester anwesend, die danach mit seinen Reliquien durch Warschau paradierten.

Dabei hatte lange nichts für eine besondere Karriere Jerzy Popieluszkos gesprochen. Der einfache Bauernsohn aus Ostpolen trat als 18-Jähriger in ein Warschauer Priesterseminar ein. Nach seiner Weihe 1972 diente er in verschiedenen Vororten und wurde Geistlicher für das Medizinische Personal der polnischen Hauptstadt. Doch dann kam Anfang August 1980 der Streik in der Danziger „Leninwerft“ und mit ihm die Solidaritätsstreiks im ganzen Land. Ende August meldete sich Popieluszko als Freiwilliger für eine Messe in der von Arbeitern besetzten „Warschauer Stahlhütte“, einer Kaderschmiede der Kommunistischen Partei. „Pater Jerzy predigte einfach, er war volksnah und ehrlich“, erinnert sich der damalige Vize-Streikchef Karol Szadurski. Die Stahlhütte habe ihm eine neue Welt eröffnet. Popieluszko identifizierte sich schnell mit den Arbeiterforderungen, ließ sich selbst ins Solidarnosc-Betriebskomitees wählen. Keine zehn Wochen nach Einführung des Kriegsrechts begann er seine regierungskritischen „Messen für das Vaterland“ zu lesen, was immer mehr Oppositionelle in die Stanislaw Kostka-Kirche lockte. Im September 1983 wurde ein Verfahren wegen Sabotage gegen ihn eröffnet, dann aber fallen gelassen. Die Untergrund-Solidarnosc habe um sein Leben gefürchtet und den polnischen Primas um einen Studienaufenthalt in Rom gebeten, heißt es. „Er wollte nicht“, sagt der damalige Primas Jozef Glemp in einem Interview mit Newsweek Polska. Ein erster Anschlag missrät Mitte Oktober 1984. Am 19. Oktober halten als Polizisten verkleidete Geheimdienstagenten seinen Wagen bei Torun auf. Popieluszko hat gerade in Bydgoszcz eine glühende Predigt gegen die Machthaber und für christliche Werte gehalten, nun wird er niedergeschlagen, gefoltert und mit Steinen beschwert in einen Stausee bei Wroclawek geworfen. Der Volkszorn nach dem Leichenfund elf Tage später lässt das Regime schleunigst vier Schuldige finden und zu langen Haftstrafen verurteilen. Die Staatsanwaltschaft fordert sogar die Todesstrafe.

Die Hintermänner sind bis heute unbekannt. Vermutet werden sie in den höchsten Etagen der Macht, im engen Umfeld General Jaruzelskis. Doch bewiesen ist nichts – zumal die kommunistische Staatsmacht ihrerseits auf Kollaborateure in der Kirchenhierarchie zählen konnte. Doch statt einen Kritiker aus dem Wege zu schaffen, hatte sich das kommunistische Regime einen Martyrer geschaffen. Bis zu einer halben Million Polen waren im November 1984 zu seinem Begräbnis gekommen.

Der erst 1997 begonnene Seligsprechungsprozess sei immer wieder torpediert worden, klagt die Kirchengelehrte und Popieluszko-Biografin Ewa Czaczkowska in der Zeitung „Rzeczpospolita“. Es sei versucht worden, den Solidarnosc-Priester als Schachfigur in einer politischen Auseinandersetzung darzustellen. Doch Ende gut, alles gut: „Ich fühle mich sehr glücklich“, freute sich die eben erst 100 Jahre alt gewordene Marianna Popieluszko, Jerzys Mutter.

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