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Politik: Jetzt droht Deutschland die Rezession

Die Wirtschaft wächst nicht mehr, die Steuereinnahmen brechen ein – bis 2006 fehlen 126 Milliarden Euro

Berlin. Deutschlands Wirtschaft droht die Rezession, die öffentlichen Haushalte müssen neue Milliardenausfälle verkraften. Die von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) am Donnerstag vorgelegte Steuerschätzung ergab, dass Bund, Länder und Gemeinden in diesem Jahr insgesamt voraussichtlich 8,7 Milliarden Euro weniger einnehmen werden als erwartet. Bis zum Jahr 2006 könnten sich die Steuerausfälle auf 126 Milliarden Euro summieren. Eichel rief zu einer „gewaltigen gemeinsamen Anstrengung“ auf, lehnte einen Rücktritt aber erneut ab. Zu Pessismismus bestehe kein Anlass, fügte der Finanzminister hinzu.

„Wir sind immer noch ungeheuer leistungsfähig“, sagte Eichel mit Blick auf die deutsche Volkswirtschaft. Allerdings könnten die Reformen nun nicht mehr aufgeschoben werden. „Vertagen bringt nichts“ meinte er und rief die CDU/CSU-Opposition im Bundestag auf, mit der Regierung bei der Lösung der Probleme zu kooperieren.

Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ging nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in den ersten drei Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorquartal um 0,2 Prozent zurück. Dies führen Volkswirte vor allem auf Folgen des Irak-Krieges und auf den kalten Winter zurück. Beide Faktoren hätten dafür gesorgt, dass sich Öl stark verteuerte. Dazu sei gekommen, dass durch den Dauerfrost im Januar und Februar die Bauwirtschaft gelitten habe. Schon macht das Wort von der Rezession die Runde. Wissenschaftler sprechen davon, wenn die Wirtschaftsleistung in zwei aufeinander folgenden Quartalen schrumpft. Im vorvergangenen Quartal hatte die deutsche Wirtschaft stagniert. Deshalb sehen einige Wissenschaftler schon jetzt eine Mini-Rezession. Deutschland steht mit seinen Problemen nicht allein in Europa. Auch in Italien und den Niederlanden schrumpfte die Wirtschaft im ersten Quartal.

Der Unionsfinanzexperte Friedrich Merz bot der Bundesregierung angesichts der dramatischen Lage Gespräche über Subventionsabbau an. Finanzminister Eichel sagte, dass die Regierung ihre Sparanstrengungen verstärken werde, und „harte Gespräche“ über eine Konsolidierung der Haushalte mit den Länderministern anstrebe. Das Ziel sei, im Jahr 2004 die Kriterien des Euro-Stabilitätspaktes wieder zu erreichen und die Neuverschuldung nicht über drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen zu lassen.

Steuererhöhungen erteilte Eichel eine Absage, einem zusätzlichen Steuersenkungsprogramm allerdings auch: Die beiden noch ausstehenden Steuerentlastungsstufen im kommenden Jahr und in 2005 würden die Konjunktur wieder beleben. Mehr sei nicht sinnvoll und auch nicht machbar, sagte der Minister. Auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber sagte, es sei falsch, jetzt über Steuererhöhungen wie etwa die Anhebung der Mehrwertsteuer zu sprechen.

Die Gewerkschaften erneuerten am Donnerstag ihre Kritik am Reformprogramm der Regierung Schröder. Die jetzige Krise der Konjunktur und der Staatsfinanzen sei das Ergebnis einer falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik, sagte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel dem „Handelsblatt“. Dies müsse korrigiert werden, anstatt mit der Agenda 2010 einseitig die Arbeitnehmer zu belasten.

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