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Politik: „Jetzt haben Sie es in der Hand“

Der Präsident löst den Bundestag auf Köhler: Unsere Zukunft und die unserer Kinder steht auf dem Spiel Abgeordnete und kleine Parteien klagen vor dem Verfassungsgericht Berlin Bundespräsident Horst Köhler hat am Donnerstagabend den Bundestag aufgelöst und die Neuwahl für den 18. September angesetzt.

Der Präsident löst den Bundestag auf Köhler: Unsere Zukunft und die unserer Kinder steht auf dem Spiel Abgeordnete und kleine Parteien klagen vor dem Verfassungsgericht

Berlin Bundespräsident Horst Köhler hat am Donnerstagabend den Bundestag aufgelöst und die Neuwahl für den 18. September angesetzt. Das Staatsoberhaupt begründete seinen Schritt mit den gewaltigen Aufgaben in Deutschland und dem von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) beklagten mangelnden Rückhalt in der rot-grünen Koalition. Schröder und Vertreter aller Parteien begrüßten die Entscheidung. Das letzte Wort über die dritte vorzeitige Parlamentsauflösung in der Geschichte der Bundesrepublik hat nun das Bundesverfassungsgericht.

Köhler sagte in einer Fernsehansprache am Donnerstagabend: „Unsere Zukunft und die unserer Kinder steht auf dem Spiel.“ Millionen von Menschen seien arbeitslos, die Haushalte des Bundes und der Länder befänden sich in einer nie dagewesenen, kritischen Lage. Köhler fügte hinzu, die bestehende föderale Ordnung sei überholt. „In dieser ernsten Situation braucht unser Land eine Regierung, die ihre Ziele mit Stetigkeit und mit Nachdruck verfolgen kann.“

Er habe die Beurteilung des Kanzlers eingehend geprüft, versicherte der Bundespräsident. „Ich sehe keine andere Lagebeurteilung, die der Einschätzung des Bundeskanzlers eindeutig vorzuziehen ist.“ Er sei überzeugt, dass die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Auflösung des Bundestages gegeben seien. Gleichzeitig rief Köhler die Bevölkerung dazu auf, sorgsam von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. „Jetzt haben Sie es in der Hand. Schauen Sie bitte genau hin. Demokratie heißt, die Wahl zu haben zwischen politischen Alternativen.“

Schröder würdigte Köhlers Beschluss als „souveräne Entscheidung“. Die große Mehrheit der Bevölkerung wünsche die Neuwahl. Er werde erneut antreten. „Ich tue dies in der Gewissheit, dass die von mir begonnenen Reformen, ob in der Gesundheitspolitik, bei der Rente oder auf dem Arbeitsmarkt, richtig und notwendig sind“, sagte der Kanzler.

Die Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, und CSU-Chef Edmund Stoiber kündigten an, die Union werde die Chance zum Neuanfang nutzen. „Das Land darf sich nicht abfinden mit fünf Millionen Arbeitslosen und der hohen Staatsverschuldung“, sagte die CDU-Chefin. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sagte, Köhlers Entscheidung verdiene Respekt. Der Bundespräsident habe deutlich gemacht, dass das von Schröder gewählte Verfahren der Vertrauensfrage weder „Trickserei“ noch „absurdes Theater“ gewesen sei. Mit Blick auf eine mögliche Verfassungsklage zeigte sich Thierse überzeugt, dass die Neuwahlen mit dem Grundgesetz in Einklang stünden. Neben den Abgeordneten Werner Schulz (Grüne) und Jelena Hoffmann (SPD) wollen auch die Republikaner, die ÖDP und die Familienpartei nach Karlsruhe ziehen. Hoffmann sagte dem Tagesspiegel: „Ich werde die Klage Ende der nächsten Woche einreichen. Ich habe Respekt vor der Entscheidung Köhlers, aber der Weg zu diesen Neuwahlen ist unecht.“

Verfassungsrechtler zeigten sich überzeugt, dass die Neuwahlentscheidung Bestand haben werde. „Die Begründung des Bundespräsidenten ist verfassungsrechtlich wie politisch nicht zu beanstanden“, sagte der Münchner Verfassungsrechtler Peter Huber. Der Verwaltungs-Professor Hans Herbert von Arnim erklärte, Karlsruhe werde Köhlers Entscheidungbestätigen. Wann der zuständige Zweite Senat entscheiden wird, ist offen. 1983 hatten sich die Richter vier Wochen Zeit genommen. In einer Blitzunfrage ermittelte ARD-Deutschlandtrend, dass 78 Prozent der Deutschen Neuwahlen befürworten.

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