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Politik: Jetzt mal ernsthaft

Es sieht nach einem Gipfel der Parteichefs aus. Vorher aber muss der Vermittlungsausschuss ein Ergebnis liefern

Von Robert Birnbaum

In manchen Momenten muss man die Bemerkungen des Michael Glos bitterernst nehmen, in anderen nicht – wie am Dienstag zum Beispiel. Wenn Hans Eichel unbedingt die Bürger von Steuern entlasten wolle – bitte, könne er doch machen, räsonniert der CSU-Landesgruppenchef. Der Finanzminister könne, zum Beispiel, einfach für ein Jahr auf den Solidaritätszuschlag verzichten – macht 10,5 Milliarden Euro, allein zu finanzieren vom Bund. Oder, zum Beispiel, die Autobahnen verkaufen und dann wieder zurückleasen. Eichel möge nur mal seine Fantasie ein bisschen strapazieren: „Der Bund hat jede Menge Möglichkeiten, Geld zu schöpfen!“

Dass Glos’ Privatvorschlag – mit niemandem in der Union abgestimmt – weniger der Sach- als vielmehr der politischen Debatte dienen soll, macht ein Nachsatz deutlich: Er wolle nur mal zeigen, dass die Bundesregierung die Bürger alleine entlasten könnte, wenn sie wollte – statt „in vollkommen unzulässiger Weise Druck auf die Opposition“ zu machen. Diese Wehklage gehört wieder zu den Bemerkungen, die man ernst nehmen sollte. Die Union, voran die CSU, sieht sich vom Kanzler zunehmend in die Steuerreform-Konsensfalle gezerrt. Und sie sieht so recht keinen Weg, wie sie dem Zuschnappen entgehen könnte. Denn so berechtigt die Forderungen von CDU und CSU in der Sache sein mögen – dem Volk zu erklären, dass eine Steuersenkung ausfällt, weil man sich über die Zuständigkeiten für das künftige Arbeitslosengeld II nicht einigen konnte, könnte ein bisschen schwierig werden. Kein Zufall, dass am gleichen Tag Glos’ Parteichef Edmund Stoiber aus München überdeutlich die Parole ausgibt: „Wir müssen kompromissbereit bleiben, um aus der Krise herauszukommen.“ Denn ein Scheitern der Steuerreform würde einen „psychologischen Schaden für die Wirtschaftsentwicklung“ bedeuten.

Tatsächlich mag am Vorabend der nächsten Sitzung des Vermittlungsausschusses niemand völlig ausschließen, dass das Einigungsverfahren doch noch platzt und die vorgezogene Steuerreform nicht zu Stande kommt. Aber übermäßig wahrscheinlich erscheint das nicht. Zwar haben die Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses bisher nur in einigen Randthemen eine Einigung produziert. Aber bis Donnerstag, sagt der Verhandlungsführer der Unionsfraktion, Fraktionsgeschäftsführer Volker Kauder, soll der Ausschuss die vorliegenden Vorschläge plus alles, was noch an neuen Ideen kommt, „auf Entscheidungsalternativen führen“.

Dass die Erarbeitung solcher Alternativen genau die Vorarbeit ist, die eine Spitzenrunde der Parteichefs beim Kanzler brauchte, um zwischen diesen Alternativen auszuwählen, sagt Kauder nicht. Im Gegenteil, der CDU-Mann führt beredte Klage darüber, dass jetzt schon wieder alle – notabene Stoiber vorweg – von einem Gipfel reden. „Lassen Sie uns doch im Vermittlungsausschuss erst mal ernsthaft verhandeln!“, bittet Kauder. Das Gremium sei schließlich an Weisungen nicht gebunden, und „ob Ministerpräsidenten sich aus dem Kanzleramt anweisen lassen“, das sei so sicher nicht. In der Union wird fest einkalkuliert, dass selbst im Falle einer Einigung auf Parteichef-Ebene einzelne Länderfürsten wie der Hesse Roland Koch oder der Sachse Georg Milbradt gegen die Steuerreform stimmen. Am Ergebnis würde das nichts ändern, aber die Kontra-Front der Union – „Ich hoffe auf das Scheitern“, sagte Milbradt der „Süddeutschen“ – würde ihr Gesicht wahren.

Dass es zum Gipfel kommen wird, ist aber so gut wie sicher. Den letzten Beweis hat Kauders SPD-Kollege Wilhelm Schmidt geliefert. Der spielt neuerdings die Bedeutung eines solchen Ereignisses herunter: Eine Einigung der Parteichefs, sagt Schmidt, wäre „nur eine Meinungsäußerung höchstrangiger Art“. Man muss diesen Satz ungefähr so ernst nehmen wie Glos’ Privatvorschläge.

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