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© dpa

Gaspipeline: Joschka Fischer - ein Mann, ein Projekt

Wandlung vom Außenminister zum Lobbyist: Wie Joschka Fischer für die Nabucco-Gaspipeline wirbt.

Berlin - Der Mann ist jetzt ein Lobbyist, und er redet auch so. Eigentlich gebe es bei dem Projekt „nur Gewinner“, versichert er mit knarziger Stimme, verschränkt die Arme und lehnt sich selbstgewiss im Stuhl zurück. Na ja, von Russland einmal abgesehen. Aber die Partnerschaft mit diesem Land dürfe eben auch nicht „in Abhängigkeit umschlagen“. Der Lobbyist tut, im edlen Internationalen Handelszentrum hoch über der Berliner Friedrichstraße, wofür er vom RWE- Konzern bezahlt wird. Er erinnert an die Probleme mit russischen Gaslieferungen im vergangenen Winter. Er wirbt für die Konkurrenz-Gaspipeline Nabucco – eine 3300-Kilometer-Leitung aus der kaspischen Region, die ab 2014 bis zu fünf Prozent des europäischen Gasverbrauchs decken soll. Und vor ihm steht, falls ihn einer wirklich nicht kennen sollte, das Namensschild: „Joschka Fischer, Bundesminister a. D.“

Nabucco, das klingt nach Gefangenenchor. Aber der frühere Außenminister und Grünen-Politiker beteuert, dass er ein freier Mann ist – so frei, dass ihn weder ein Amt noch parteipolitische Correctness daran hindern, für RWE nun den „Sonderberater“ zu geben. Er sei von dem Projekt überzeugt, betont er. Und um dafür zu trommeln wohl auch geeignet. Schließlich ähnele der Beraterjob seinem vorherigen, es handle sich, „wenn Sie so wollen, um eine diplomatische Aufgabe“. Die Haupthemmnisse für Nabucco seien ja „im Wesentlichen politischer Natur“. Wenn es einfach wäre, das Projekt auf den Weg zu bringen, hätte man „kein Kaliber wie Fischer“ verpflichtet, frotzelt der Chef der zuständigen RWE-Tochter, Stefan Judisch. „Das haben Sie schön gesagt“, gibt Fischer zurück.

Und hat gleich wieder den gequälten Gesichtsausdruck, mit dem er schon als Außenminister über komplexe Weltzusammenhänge zu dozieren pflegte. Nun sind es die vielen Bedenken und Widerstände, die es zu beseitigen gilt. Nein, man benötige nicht den politisch instabilen Iran, um genug Gas liefern zu können. Das Projekt richte sich auch nicht gegen Russland. Es diene der Versorgungssicherheit Europas. Und befreie die Energielieferanten aus einseitigen Preis- und Lieferabhängigkeiten.

Der frühere Außenminister will gar nicht mehr aufhören mit der Problembeschreibung. Das Verhältnis der Energielieferanten Turkmenistan und Aserbaidschan: ein überaus schwieriges. Mit der Türkei, die ihre energiepolitischen Fühler auch zu Russen und Chinesen ausstrecke, sei auch intensiv zu verhandeln. Und wie „komplex“ die Lage im erdgasreichen Nordirak sei, das auch mit ins Boot soll, „brauche ich Ihnen nicht zu erläutern“.

Fischer, übernehmen Sie! Mit Brüssel müsse man reden, mit Washington. „Und wenn sich der Staub der Bundestagswahlen gelegt hat, wird es auch sehr stark auf die Unterstützung der Bundesregierung ankommen.“ Geärgert hat sich der Ex-Minister etwa darüber, dass zur Unterzeichnung eines Gasdurchleitungsabkommens zwischen fünf Transferländern im Juli nur ein Wirtschafts-Staatssekretär in die Türkei anreiste. Er werde „massive politische Unterstützung“ einfordern, kündigt Fischer an. Und er ist sich sicher, dass er sie bekommt – „egal wie die Wahl ausgeht“. Schließlich müsse man verdeutlichen, was die Alternative zu Nabucco wäre. Ein Nein, so ist Fischer überzeugt, hätte nicht nur energie-, sondern auch geopolitisch „fatale Folgen“. Es wäre „ein Signal, das sich Europa nicht erlauben kann“.

Doch wie verträgt sich das Projekt mit den Menschenrechten in den Lieferländern? Er sei „kein Außenminister mehr“, sagt Fischer und wirkt plötzlich ganz müde. Handel bewirke immer Annäherung und Öffnung, hilft ihm sein RWE- Kompagnon Judisch. Und Fischer fällt dann noch ein, dass er gerne auch über andere Energielieferanten sprechen könne. „Über Libyen, über Saudi-Arabien oder das lupenreine Russland.“ Und was das Engagement des Atomgegners Fischer für RWE betrifft: „Ich verkaufe keine Atomkraftwerke.“ Europa benötige Nabucco. Und als privater Erdgaskonsument habe er selber auch „das Interesse, dass es mir im eigenen Haus nicht kalt wird“.

Bleibt die Frage nach dem Verhältnis zu Gerhard Schröder, der sich für den russischen Konkurrenten Gasprom betätigt. Fischer windet sich. Nach wie vor „menschlich gut“ verstehe er sich mit dem Ex-Kanzler, versichert er. Die Beraterjobs beeinträchtigten „überhaupt nicht“ ihre Beziehung. Allerdings, so fügt er dann doch an, hätte er sich von Gasprom in der Vergangenheit schon den „Verzicht auf unnötige Konfrontationen“ gewünscht. Und „eine etwas diplomatischere Vorgehensweise“.

 Rainer Woratschka

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