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Nur zu Besuch? Joschka Fischer tritt in der Grünen-Fraktion auf, als wäre er nie weg gewesen.

© dpa

Joschka Fischer und die Grünen: Er ist wieder da

Lange hat Joschka Fischer sich nicht mehr mit seiner Partei, den Grünen, gezeigt. Am Donnerstag präsentierte er sich in der Fraktion als Elder Statesman. Der Partei kann das im Europawahlkampf nutzen.

Er ist wieder da. Nach sechs Jahren Pause. Joschka Fischer, rot-weiß-kariertes Hemd, schwarzes Jacket, keine Krawatte, betritt den Sitzungssaal 4.900 im vierten Stock des Paul-Löbe-Hauses als wäre er nie weg gewesen. Flankiert von der Ex-Parteichefin der Grünen Claudia Roth und der Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt. Beide mögen ihn nicht – politisch. Beide schätzen ihn – fachlich. Doch deswegen ist er nicht hier. Jetzt brauchen sie ihn. Die Partei auch.

Den Grünen fehlen die Alphatiere

2008 ist Fischer das letzte Mal bei einer Veranstaltung seiner Partei aufgetreten, mit der er seinerzeit unter Gerhard SchröderVizekanzler und Außenminister geworden war. Im hessischen Landtagswahlkampf war das, an der Seite von Tarek Al-Wazir. Es ist wohl kein Zufall, dass Fischer nun erstmals vor den anstehenden Europawahlen wieder die Nähe zu seiner Partei sucht, sie zumindest wieder zulässt. Den Grünen fehlt es an Profil und Format nach dem Führungswechsel und der Absetzung der beiden Alphatiere Jürgen Trittin und Renate Künast. Und Fischer, das ist die Botschaft, hat jede Menge Format.

Gefühlsbefreit, analytisch, lehrbuchgetreu

An seiner Seite sitzt an diesem Abend der Syrien-Sondergesandte der Vereinten Nationen Lakhdar Brahimi. Beide sollen vor Presse, Abgeordneten und Gästen über die verfahrene Lage in Syrien diskutieren, die ins Stocken geratene Friedenskonferenz, aber auch den Umbruch in der Ukraine: Weltpolitik. Fischer übertreibt nicht, wenn er Brahimi im Nebensatz als Freund bezeichnet. Beide kennen sich von der US-Universität Princeton, wo Fischer eine Gastprofessur innehatte. Wie ein Professor seziert Fischer denn auch den blutigen Konflikt in Syrien. Ohne erkennbare Regung, gefühlsbefreit, analytisch. Lehrbuchgetreu prophezeit er die Auflösung des von den Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich am Reißbrett entworfenen Nahen Ostens. Beschreibt die Struktur des Syrienkonflikts als Analogie zum Dreißigjährigen Krieg in Europa, der als Konfessionskrieg begann und schnell zu einem blutigen Machtspiel regionaler Herrscher auswuchs. Nein, ob es Syrien in zehn Jahren überhaupt noch geben werde, könne er nicht sagen, meint Fischer und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.

Der amtierende Denker der Außenpolitik

Die Zuschauer hängen an seinen Lippen, als spräche er Unerhörtes aus, als sage endlich mal einer was Sache ist. Katrin Göring-Eckardt und Claudia Roth daneben ertragen es still, lassen ihm die Bühne. Als den „amtierenden Kommentator und Denker der Außenpolitik“ hatte Göring-Eckardt ihn angekündigt. Ein Lob, das wohl auch sagen will: nicht der amtierende Lenker. Auch wenn Teile der Partei das gerne anders hätten. „Wenn ich so die schlimmen Nachrichten sehe, denke ich immer: der Fischer soll's machen!“, meldet sich eine Parteigenossin in der Fragerunde. Fischer bedankt sich für das Vertrauen und verweist auf die gute Politik des amtierenden SPD-Außenministers Frank-Walter Steinmeier.

Kritik an Syrienpolitik

Nicht das Personal sei das Problem, meint Fischer, der Diplomat im Ruhestand, sondern die Umstände. Europa müsse begreifen, dass die Instabilität in Syrien auch eine Gefahr für die eigene Sicherheit sei, ein Nährboden für Terror. Europa müsse „seine Herzen und Grenzen öffnen“, um die humanitäre Krise zu bewältigen, und der Iran als wichtiger Player einbezogen werden. Es klingt wie ein Plan für die Lösung des blutigsten Konfliktes der Gegenwart, in dem Europa eine Rolle spielen muss.

Fischer kommentiert Europawahlkampf

„Und diese Themen müssen verdammt nochmal im Europawahlkampf auch angesprochen werden“, ruft Fischer. Es ist das erste Mal, dass er die Stimme erhebt, ausbricht aus dem Duktus des Elder Statesman. „Nicht so ein Eiapopaia“, legt er nach. Die Grünen, und da kommt er nun doch bei Parteipolitik an, müssten Druck ausüben auf die Große Koalition, damit es in diesen Fragen voran gehe.

Wenn Katrin Göring-Eckardt in diesem Moment ein Stein vom Herzen gefallen sein sollte, ließ sie es sich nicht anmerken. Denn genau dafür können sie ihn brauchen. Einen, der den Grünen nicht schadet, wenn er den politischen Gegner für richtiges Handeln lobt. Einen, der so souverän wirkt, so informiert, dass er scheinbar nur dann aus der Haut fährt, wenn es wirklich wichtig ist. Sei es Syrien oder der Europawahlkampf der Grünen.

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