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Politik: Joseph Kantelberg-Abdulla: "Die Geschichte der Mutter stimmt nicht"

Christian Pfeiffer (56), leitet das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen und soll im Land das Amt des Justizministers übernehmen.Der sächsische Ministerpräsident hat schwere Vorwürfe gegen Sie erhoben und Ihre Eignung zum Justizminister angezweifelt.

Christian Pfeiffer (56), leitet das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen und soll im Land das Amt des Justizministers übernehmen.

Der sächsische Ministerpräsident hat schwere Vorwürfe gegen Sie erhoben und Ihre Eignung zum Justizminister angezweifelt. Kurt Biedenkopf bezog sich vor allem auf die Untersuchung, die in Ihrem Institut zum Fall des ertrunkenen Joseph angestellt worden ist. Was antworten Sie Herrn Biedenkopf?

Das ist Frustabfuhr. Herrn Biedenkopf ärgert, dass Sebnitz und Sachsen negative Schlagzeilen hatten. Aber seine Angriffe kann ich nicht nachvollziehen. Punkt eins: Er wirft mir vor, ich hätte was geschrieben. Aber den Text, um den es geht, hat ein Mitarbeiter meines Instituts geschrieben, der drei Jahre lang Strafrichter gewesen ist. Dieser Mitarbeiter hat mir gesagt, ein Anfangsverdacht, dass der kleine Joseph ertränkt worden sein könnte, sei auf jeden Fall gegeben. Alles Weitere müssen die Behörden machen. Punkt zwei: Herr Biedenkopf kritisiert, dass wir überhaupt die so genannten eidesstattlichen Erklärungen von Kindern und Jugendlichen ernst genommen haben. Aber Prozesse wegen Kindesmisshandlung oder wegen sexuellen Missbrauchs beruhen oft nur auf Aussagen von Kindern. Trotzdem nimmt man sie ernst. Und es war klar, dass wir im fernen Hannover nicht prüfen können, wie diese Aussagen zustande gekommen sind.

Biedenkopfs Vorwürfe bringen Sie nicht davon ab, in Niedersachsen das Amt des Justizministers anzutreten?

Ich sehe keinen Anlass, meine Eignung in Frage zu stellen.

Wie weit waren Sie in der Lage, über das von Frau Kantelberg gelieferte Material hinaus selber Recherchen anzustellen?

Dazu hätten wir nach Sebnitz fahren müssen. Aber es ist nicht unser Job, wie ein Polizeibeamter zu recherchieren.

Aber Sie haben auch einen Zeugen befragt ...

Das war eine Ausnahme. Der Zeuge hat auf Bitten von Frau Kantelberg bei uns angerufen, nachdem wir unseren Bericht an das sächsische Innenministerium geschickt hatten. Aber dieser Mann erschien uns wegen seiner Alkoholprobleme unglaubwürdig.

Nun gab es laut "Bild"-Zeitung 14 weitere eidesstattliche Versicherungen von Zeugen ...

Diese Erklärungen lagen uns überwiegend vor. Sie stammen von meist jungen Zeugen. Die Erklärungen machten in der Gesamtschau durchaus Sinn und lenkten den Verdacht auf mögliche Täter. Nach dem Stand der Ermittlungen sind diese eidesstattlichen Versicherungen aber nicht glaubwürdig. Offenbar widerrufen alle diese Kinder. Aber ich habe von der Dresdener Staatsanwaltschaft keine Antwort auf meine Frage bekommen, ob Psychologen mit den Kindern sprechen. Es wäre dringend notwendig, dass auch Sachverständige die Glaubwürdigkeit der minderjährigen Zeugen untersuchen.

Wie hat das sächsische Innenministerium reagiert, als es im Juli den Bericht Ihres Kollegen erhielt?

Ich kann mich noch an den Wortlaut erinnern: Der Beamte sagte, Herr Pfeiffer, mir ist ein Schauer über den Rücken gelaufen. Wenn da was dran ist, ist das fürchterlich, sagte der Beamte. Und er hat uns gebeten, dass wir Frau Kantelberg beruhigen und davon abhalten zur "Bild"-Zeitung zu gehen, was sie schon länger plante. Denn nun wurden eine andere Staatsanwaltschaft und andere Polizeibeamte als bei den Ermittlungen vor drei Jahren beauftragt. Außerdem sollte in Ruhe ermittelt werden. Die Beamten haben sich bei uns für die Vorarbeit bedankt und die Ermittlungen aufgenommen. Und auf der Basis dieser Ermittlungen wurden immerhin drei Personen verhaftet.

Sie haben letzte Woche gesagt, es stehe "fifty-fifty", ob Frau Kantelbergs Angaben stimmen ...

Ich denke, Frau Kantelbergs Geschichte stimmt nicht. Sie hat uns verschwiegen, dass ihr Sohn einen Herzfehler hatte, der das Risiko des Ertrinkens erhöht. Und sie sagte nicht, dass es keinen eindeutigen Beleg gibt für das Gift, das in Josephs Körper sein soll. Aber der wahre Sachverhalt wird drei Jahre nach dem Tod kaum aufzuklären sein. Ich halte es immer noch für möglich, dass Joseph nicht durch einfaches Ertrinken starb. Ein Gerücht, dass er eines gewaltsamen Todes gestorben ist, gab es schon lange bevor Frau Kantelberg ihre Mordthese aufgestellt hat.

Haben rechtsextreme Skinheads mit dem Fall nichts zu tun?

Das war von vornherein zweifelhaft. Diese These hat sich mit der Entlassung der drei Verhafteten erledigt.

Wie ist dann zu erklären, dass die drei Personen nicht nur festgenommen, sondern sogar in Untersuchungshaft gesteckt wurden?

Ich habe vermutet, die Polizei hätte neue Erkenntnisse gewonnen, die uns nicht zur Verfügung standen. Ich war jedenfalls überrascht, dass drei Personen verhaftet wurden.

Die Grünen fordern, die Bundesanwaltschaft solle die Ermittlungen übernehmen. Wären dann andere Ermittlungsergebnisse zu erwarten?

Nein. Die sächsischen Beamten handeln professionell. Ich wäre überrascht, wenn später Zweifel an der jetzigen Arbeit der Dresdener Staatsanwaltschaft auftauchen. Ich habe allerdings mit Interesse vernommen, dass der Beamte, der die Ermittlungen vor drei Jahren leitete, entlassen wurde.

Wenn die Tötung des kleinen Joseph durch Neonazis nur in der Fantasie der Familie Kantelberg-Abdulla stattgefunden hat - wie ist eine solche Geschichte zu erklären?

Es könnte eine tragische Verarbeitung von Schuldgefühlen der Mutter sein - weil sie ihr Kind ohne Begleitung eines Erwachsenen zum Schwimmen geschickt hat.

In welchem Maße könnten frühere Mobbing-Erfahrungen Frau Kantelbergs Wahrnehmung beeinflusst haben?

Es kann schon sein, dass sie eine Leidensgeschichte erleben musste, die ihren Verdacht verstärkt hat: Für Josephs Tod sind jene verantwortlich, die uns jahrelang in Sebnitz das Leben schwer gemacht haben. Sie fühlte sich als das Opfer von ausländerfeindlichem Mobbing. Aber dann sind Spezialisten gefragt, nicht die Medien. Man kann Frau Kantelberg nur wünschen, dass sie aus dem Medienzirkus aussteigt und ihre Ruhe findet.

Der sächsische Ministerpräsident hat sch

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