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Politik: Kämpfer gegen Kopflosigkeit: Was Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber vorhat

Monatelang hat sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber - und mit ihm die gesamte CSU - zurückgehalten. Eine fast übermenschliche Anstrengung für einen Mann, der mit guten Ratschlägen für andere sonst schnell bei der Hand ist.

Monatelang hat sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber - und mit ihm die gesamte CSU - zurückgehalten. Eine fast übermenschliche Anstrengung für einen Mann, der mit guten Ratschlägen für andere sonst schnell bei der Hand ist. Aber in den Turbulenzen der CDU-Affären kam aus München stets die stereotype Antwort: Wir mischen uns nicht ein, wir vertrauen auf die Aufklärungsarbeit von Wolfgang Schäuble. Jetzt ist der CDU-Chef und gemeinsame Fraktionsvorsitzende Schäuble weg, und die CSU kann für sich in Anspruch nehmen, dass Schäuble von seinen eigenen Leuten gemeuchelt worden ist und aus München dazu nicht die geringste Regieanweisung gekommen war.

Doch damit ist es jetzt vorbei. Jetzt kommt der andere Edmund Stoiber zum Vorschein: der energische, der machtbewusste, der zielstrebige. Den kopflosen Aufstand in der Unionsfraktion hat Stoiber entsetzt verfolgt, die Neuordnung der Trümmerlandschaft soll nach seinem Willen nicht dem gleichen Muster entsprechen. "Jetzt ist die Stunde der CSU", hat Edmund Stoiber vor seinen Getreuen in der CSU-Landesgruppe selbstbewusst gesagt. Wie das aussieht, haben die Bayern dies gleich gezeigt. Und anscheinend mit Erfolg. Eine schnelle Wahl der gesamten Fraktionsspitze wollten Stoiber und die CSU unbedingt verhindern, die Hoffnung, damit noch die Wahlniederlage in Kiel zu verhindern, hält man in München ohnehin für kindisch. Für Stoiber geht es jetzt zum einen darum, den Einfluss der CSU in der gemeinsamen Fraktion zu mehren.

"Wir sind eine Korsettstange der Opposition", hat Stoiber in den letzten Monaten immer wieder getönt. Ohnmächtig musste der Bayer mit ansehen, wie die CDU im Strudel ihrer Affären unfähig zur sachpolitischen Auseinandersetzung war. Selbst das Steuerkonzept, mit dem man Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) Paroli bieten will, musste zum größten Teil im Münchner Finanzministerium geschrieben werden.

Das soll jetzt anders werden. Für den Schlagabtausch mit der Regierung auf dem Feld der Sozialpolitik will Stoiber seinen Vize Horst Seehofer ins Rampenlicht schieben. Zwischen Seehofer und Stoiber herrscht ein diffiziles Verhältnis. In dem ehrgeizigen Ex-Gesundheitsminister aus Ingolstadt wittert Stoiber, wohl zu Recht, seinen einzigen echten Rivalen in der CSU. Bei Seehofer wisse man nie so genau, was er im Schilde führe, erzählt man sich in München gerne. Trotzdem hält auch Stoiber seinen Vize für ein Schwergewicht und will mit einer Stärkung Seehofers den Einfluss der CSU vergrößern. Stoibers eigene Interessenlage ist schwierig. Die Frage, ob der Bayer nun die Kanzlerkandidatur für 2002 anstrebt, gehört seit Monaten zur beliebtesten politischen Kaffesatzleserei. Stoiber hat darauf immer Nein gesagt. Aber was hätte er auch anderes antworten sollen? Dass Stoiber machtbewusst ist und im Zweifel nicht lange fackelt, hat er schon oft bewiesen. Als es 1993 um die Nachfolge des affärenbelasteten Ministerpräsidenten Max Streibl ging, hatte Stoiber seine Bataillone schon längst formiert, als auch CSU-Chef Theo Waigel seine Ansprüche anmeldete. Waigel zog prompt den Kürzeren. Und auch als Waigel nach der Niederlage 1998 sein Amt als CSU-Chef abgab, stand Stoiber parat und ließ eine Personaldiskussion gar nicht erst aufkommen.

Auch bei der Kanzlerkandidatur hätte Stoiber trotz seiner Dementis zugegriffen, wenn er die Chance bekommen hätte und die Erfolgsaussichten günstig gewesen wären. Doch davon kann angesichts verheerender Umfragedaten zurzeit keine Rede sein. An einem Duell mit Gerhard Schröder hat Stoiber unter diesen Umständen kein Interesse, als sicherer Verlierer will er nicht in den Ring steigen. "Warum sollte er diesen Opfergang auf sich nehmen", fragt einer seiner Berater. Andererseits, hat nicht das letzte Jahr gezeigt, wie schnell sich der Wind drehen kann?

Also zielt Stoibers Strategie, auch mit Blick auf seine ganz persönlichen Ambitionen, darauf ab, vorzeitige Festlegungen zu vermeiden und die Dinge in der Schwebe zu lassen. Unter diesem Blickwinkel machen auch die energischen Bemühungen der CSU um eine Einbindung von Volker Rühe in die Führungsstruktur Sinn. Rühe wäre einer, den man als Kanzlerkandidaten in ein Rennen ohne Aussicht schicken könnte, ohne dass Stoiber als Drückeberger dastünde.

Georg Leitner

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