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Politik: Kaltstart

Joseph Kabila legte im Kongo seinen Amtseid ab. In Kinshasa hat das kaum jemand gefeiert

Keine Freudentänze, menschenleere Straßen, die nur von einem starken Armeeaufgebot belebt werden. So sieht die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo am Tag der Amtseinführung des frisch gewählten Präsidenten Joseph Kabila aus. Im Garten seines Amtssitzes legte Kabila seinen Eid ab. Gemessen an der Bedeutung dieser Wahlen – immerhin den ersten freien und demokratischen Wahlen seit 40 Jahren – war dieses symbolisch wichtige Ereignis eine traurige Veranstaltung. Die Bewohner Kinshasas hatten mehrheitlich gegen Kabila gestimmt.

Auch unter den rund 10 000 Gästen auf dem weitläufigen Grün zwischen dem Palais de la Nation und dem Fluss Kongo fielen vor allem diejenigen auf, die nicht da waren. Zwar kamen neun afrikanische Präsidenten, darunter Thabo Mbeki aus Südafrika, das Bergbauinteressen im Kongo hat, als auch der Angolaner José Eduardo dos Santos, militärisch mächtiger Nachbar und Verbündeter von Kabilas Vater in den beiden Kongokriegen. Aus nichtafrikanischen Nationen sandten einzig Belgien und Marokko mit ihren Premierministern Vertreter aus der ersten Reihe. Die übrigen Länder begnügten sich mit Ministern oder Vizeministern. Deutschland wurde vom Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), vertreten. Beobachter werten dies als eindeutiges Zeichen dafür, dass der 35-jährige Kabila diesmal von der internationalen Gemeinschaft keine Vorschusslorbeeren zu erwarten hat. Das war noch ganz anders, als er 2001 auf den Stuhl seines ermordeten Vaters gehievt wurde.

Obwohl die Wahlperiode relativ ruhig verlief, befriedet ist das Land noch keineswegs. Erst vor wenigen Wochen wurde in der Unruheregion Ituri ein Massengrab gefunden mit rund 30 Opfern, die während der Wahlperiode ermordet wurden. Erste Zeugenaussagen belasten Soldaten der regulären Armee. Vor rund zwei Wochen attackierten loyale Truppen des abtrünnigen Generals Laurent Nkunda die Stadt Sake im Osten und vertrieben 20 000 Menschen. Auch die schweren Gefechte im August zwischen den Lagern Kabilas und seines Widersachers Jean- Pierre Bemba und die Brandstiftung am obersten Gericht liegen noch zu kurz zurück, als dass von einer Stabilisierung des Landes gesprochen werden könnte. Ein optimistisch stimmendes Ereignis dagegen war das erste Treffen zwischen Kabila und Bemba seit der Bestätigung von Kabilas Sieg mit 58 Prozent über Bemba mit 42 Prozent.

Vor dem nun demokratisch legitimierten Ex-Rebellen liegen gewaltige Aufgaben. Eine ist die unbewältigte Armeereform. Zahlreiche Gruppen, ehemalige und aktive Milizen, sowie ehemalige reguläre Armeeteile sollen zu einer einheitlichen Struktur mit einer einzigen Kommandolinie „integriert“ werden. Eigentlich hätte dieser Prozess schon längst abgeschlossen sein sollen. Ein ausländischer Militärexperte sagt daher, das Einzige, was in der neuen Armee zusammengeführt werde, sei die Bitterkeit der einfachen Soldaten. Sie sind bitter wegen schlechter Bezahlung und angesichts einer oft korrupten und unqualifizierten Führungsebene.

Dazu kommen die Bekämpfung von Armut und Korruption in einem Land, in dem die Mehrheit von weniger als einem Dollar am Tag lebt. Ein Beamter verdient im Durchschnitt 20 Dollar monatlich, genauso viel oder wenig wie ein Straßenkind. Da ist nicht schwer nachzuvollziehen, dass Polizisten und Richter ihr Einkommen vor allem dadurch erzielen, dass sie ihre Schutzbefohlenen anzapfen. Die Korruption zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. Korruption als Kriegsökonomie ebenso wie als Überlebensstrategie zu bekämpfen, dürfte eine der schwierigsten Aufgaben werden.

Die Reform der Verwaltung ist die nächste Mammutaufgabe. Teilweise ganz neu geschaffene Institutionen wie die Provinzparlamente müssen funktionstüchtig gemacht werden. Die Zahl der Provinzen im Kongo soll von elf auf 26 erhöht und so die Dezentralisierung gefördert werden. Bisher gibt es jedoch keine Stelle, die sicherstellt, dass 40 Prozent aller Steuereinnahmen, auch aus dem theoretisch hochrentablen Bergbau, ohne Umweg in die Provinzen fließen.

Judith Reker[Kinshasa]

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