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Kampf gegen Judenhass: Ampel einigt sich mit Union auf Antisemitismus-Resolution
Wie definiert man Antisemitismus – und was kann der Gesetzgeber tun gegen Judenfeindlichkeit? Nach langen Verhandlungen liegt ein Antrag vor. Darin werden auch konkrete Maßnahmen gefordert.
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Ende von langen und strittigen Verhandlungen: Die Koalition hat sich mit der Unionsfraktion auf einen Text für einen Antrag zur Ächtung und Bekämpfung von Antisemitismus geeinigt. In einer gemeinsamen Mitteilung der Fraktionen heißt es, der Antrag solle bereits in der kommenden Woche im Deutschen Bundestag eingebracht, beraten und abgestimmt werden. Er ist nicht rechtsverbindlich, aber ein klares politisches Signal.
„Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“, lautet der Titel des vierseitigen Entwurfs dem „Spiegel“ zufolge. Der Text verurteile alle Formen des Antisemitismus und fordere die Bundesregierung sowie Länder und Kommunen zu konkreten Maßnehmen im Kampf gegen Judenhass auf.
Wie das Magazin weiter schreibt, steckten die Verhandlungen über den gemeinsamen Text wochenlang fest. Eigentlich wollte man sich bereits zum Sommer einigen, dann zum Jahrestag des Hamas-Angriffs am 7. Oktober. Nun stehe die Einigung immerhin rechtzeitig zum 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome.
Resolution geht auch auf Antisemitismus durch Migranten ein
„Seit dem grausamen Terror-Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sehen wir in Deutschland Judenhass und israelbezogenen Antisemitismus auf einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau“, heißt es demnach darin weiter.
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Gleichzeitig seien antisemitische Verschwörungstheorien sowie völkisches Denken auf dem Vormarsch. Die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP kritisieren in dem Antrag außerdem einen „relativierenden Umgang und vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus“. All dies führe zu einer massiven Verunsicherung unter Jüdinnen und Juden in Deutschland.
In der Resolution wird demnach auch der Antisemitismus erwähnt, den Teile von Migranten nach Deutschland getragen haben. „In den vergangenen Monaten ist nicht zuletzt das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert, in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit, auch aufgrund islamistischer und antiisraelischer staatlicher Indoktrination, verbreitet sind.“
Zum Krieg Israels gegen die Hamas heißt es dem „Spiegel“ zufolge in dem Antrag, Israel habe das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen Angriffe zu verteidigen und damit die anerkannte Pflicht, seine Bürger unter Wahrung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen vor Terror zu schützen.
Regierung soll sich für Israels Sicherheitsinteressen einsetzen
Die Bundesregierung solle sich weiterhin „aktiv für die Existenz und die legitimen Sicherheitsinteressen des Staates Israel“ einsetzen, heißt es in dem Text der Agentur dpa zufolge weiter.
Konkrete Maßnahmen, die in dem Antrag gefordert werden, sind dem Magazin zufolge unter anderem:
- Der Staat müsse sicherstellen, dass keine „keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert werden, die Antisemitismus verbreiten, das Existenzrecht Israels infrage stellen, die zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen“. Dies gelte auch für den Bereich Kunst und Kultur.
- Gesetzeslücken müssten geschlossen und repressive Möglichkeiten konsequent ausgeschöpft werden, heißt es. Dies gelte in besonderem Maße im Strafrecht sowie im Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht.
- Nach dem Betätigungsverbot für die Terrororganisation Hamas sollen weitere extremistische Organisationen überprüft und verboten werden.
- Schulen und Hochschulen sollen darin unterstützt werden, durch Anwendung des Hausrechts antisemitische Übergriffe zu ahnden.
An die Bundesregierung geht demnach zudem die Aufforderung, sich gegenüber Ländern und Kommunen dafür einzusetzen, dass sie bei Entscheidungen, etwa über die Förderung bestimmter Projekte, die sogenannte IHRA-Antisemitismusdefinition als maßgeblich heranziehen.
Die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) in rechtlich verbindlichen Texten ist unter Wissenschaftlern umstritten. Die IHRA hält darin unter anderem fest, dass sich Erscheinungsformen von Antisemitismus „auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten“ können. Kritik an Israel, die mit der Kritik an anderen Ländern vergleichbar sei, werde hingegen nicht als antisemitisch betrachtet.
Eine Gruppe von Juristen hatte im vergangenen Jahr in einem Brief an Bundestagsabgeordnete davor gewarnt, die Verwendung dieser Definition in einem Entschließungsantrag führe „auf verfassungs- wie völkerrechtlich höchst problematisches Terrain“. Auch sei die Arbeitsdefinition nie dazu gedacht gewesen, rechtliche Bindungswirkung zu erlangen.
Dies ist ein wichtiges Signal, das zeigt, dass die demokratischen Parteien die besondere deutsche Verantwortung für die Sicherheit jüdischen Lebens gemeinsam wahrnehmen.

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft begrüßte die Einigung der demokratischen Fraktionen des Bundestags auf einen Antragstext zum Schutz jüdischen Lebens. „Dies ist ein wichtiges Signal, das zeigt, dass die demokratischen Parteien die besondere deutsche Verantwortung für die Sicherheit jüdischen Lebens gemeinsam wahrnehmen“, erklärte Präsident Volker Beck am Samstag in Berlin.
Die klare und unbedingte Unterstützung für Israels Selbstverteidigung durch den Deutschen Bundestag trage dazu bei, Irritationen zu korrigieren, die in den letzten Monaten aus Berlin gesendet worden seien. „Selbstverständlich gilt: Das Völkerrecht ist Grundlage und Rahmen für Israels Selbstverteidigung. Gut, dass der Text auf überflüssige Hinweise zu solch Selbstverständlichkeiten verzichtet“, erklärte Beck.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft erwartet nach seinen Worten nun, dass Bundestag und Bundesregierung den Antrag ernst nähmen und die darin angekündigten gesetzgeberischen Maßnahmen zügig umsetzten. Lücken im Strafrecht müssten schnell geschlossen und repressive Möglichkeiten konsequent ausgeschöpft werden.
Wir hören das Signal – es bleibt ein Moment der vorsichtigen Zuversicht.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland
Außerdem brauche es „rechtssichere, insbesondere haushalterische Regelungen, die sicherstellen sollen, dass keine Projekte und Vorhaben, insbesondere mit antisemitischen Zielen und Inhalten, gefördert werden“. Wichtig sei auch, dass beim Begriff des Antisemitismus keine Verwässerung akzeptiert werde.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte, die geplante Resolution rasch mit Leben zu füllen. „Wir hören das Signal – es bleibt ein Moment der vorsichtigen Zuversicht“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster. Die vorangegangenen langen, zum Teil irritierenden und nicht immer nachvollziehbaren Verhandlungen hätten ihre Spuren hinterlassen.
„Die Grundlagen für einen wirksamen Schutz jüdischen Lebens sind nun definiert“, so Schuster. „Die vorgesehenen Maßnahmen müssen aber noch effektiv und zügig umgesetzt werden.“
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