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Kampf um Neuilly: Präsidenten-Sohn kandidiert in "Sarko-Land"

Monatelang hat Jean Sarkozy Seite an Seite mit Elysée-Sprecher David Martinon im Pariser Edelvorort Neuilly Wahlkampf gemacht. Jetzt wurde der Sohn des französischen Präsidenten Sarkozy zum "Königsmörder" - er kandidiert selbst als Bürgermeister.

Der 21-Jährige ließ den in den Umfragen schlecht dastehenden Bürgermeisterkandidaten Martinon im Stich und gründete ein Gegenbündnis. Damit tritt er in die Fußstapfen seines Vaters: Der hatte in Neuilly, wo er fast 20 Jahre Bürgermeister war, seine Karriere durch einen politischen "Verrat" begonnen. Von "Putsch" oder "Misstönen in Sarkoville" sprechen die Zeitungen am Montag vier Wochen vor der Kommunalwahl. Schon am Vorabend konnten die überraschten Franzosen Jean Sarkozy mit seinen schulterlangen, blonden Haaren in Fernsehberichten im Kreise seiner Mitverschwörer sehen. Richtig in die Schlagzeilen war er davor nur durch einen Verkehrsunfall gekommen: Ein Autofahrer beschuldigt den Jurastudenten, sein Fahrzeug mit einem Motorroller von hinten gerammt und dann Fahrerflucht begangen zu haben.

Der Wahlkampfeinsatz in Neuilly fand im Auftrag seines Vaters statt. Jean Sarkozy sollte Martinon das verleihen, was dem Bürgermeisterkandidaten fehlte: Flair. Denn von Anfang an machte sich in Neuilly Widerstand gegen den durch den Elysée aufgezwungenen Kandidaten breit, der nicht aus der Stadt stammt. Sarkozys zweitältester Sohn aus erster Ehe hat dagegen seine gesamte Jugend in dem Ort mit 60.000 Einwohnern verbracht. Martinon lobte Jean Sarkozy vor kurzem noch wegen "seines Adressbuches", aber auch weil er "herzlich, freundlich, begeistert und bescheiden" sei.

Heikle Vorgeschichte

Dass Sarkozys Sohn nun unter den "Verrätern" ist, wird in der Presse süffisant kommentiert: Denn Sarkozy hatte 1983 das Bürgermeisteramt von Neuilly im Alter von nur 28 Jahren selbst durch eine Art Putsch an sich gerissen. Er nutzte dabei kurzzeitige Gesundheitsprobleme des späteren Innenministers Charles Pasqua, der nicht nur sein politischer Mentor, sondern auch Trauzeuge bei seiner ersten Ehe war. "Martinon hätte sich in Acht nehmen sollen davor, dass er Verstärkung durch den Präsidentensohn Jean Sarkozy bekam", schreibt die Zeitung "Midi Libre". "Sarko-Land hat sich in Sarko-Dallas verwandelt, ein unerbittliches Universum für junge Sarkozy-Sprösslinge."

"Ich habe getan, was ich tun musste. Soll er sich durchkämpfen", hat der Präsident vor einiger Zeit angeblich zu den Problemen Martinons in Neuilly gesagt. Doch einen Monat vor der Wahl sah es wohl nun so schlecht aus, dass Sarkozy eine Niederlage nicht riskieren wollte. Schließlich geht es nicht um irgendeine Vorstadt: Es geht um die reichste. Dort leben Industrielle und Politiker Seite an Seite mit Stars aus dem Show-Business. Und wenn Sarkozys UMP Neuilly verlieren würde, wäre das psychologisch ungefähr so, als würde die CSU die Landtagswahlen in Bayern verlieren.

"Der Staatschef hat, wohl oder übel, seine Zustimmung zur Fahnenflucht mitten im Wahlkampf gegeben", schreibt die Zeitung "L'Union" zu dem Seitenwechsel des Sarkozy-Sohnes. Dem 36 Jahre alten Martinon blieb nichts weiter übrig, als seine Kandidatur zurückzuziehen. Als Präsidentensprecher dürfte er keine Zukunft haben, auch wenn der Präsident einen Rücktritt zunächst ablehnte. Denn Martinon, der als "Schützling" von Sarkozys zweiter Ehefrau Cécilia gilt, steht bei vielen langjährigen Sarkozy-Getreuen ganz oben auf der Abschussliste. Seit die "First Lady" sich im Oktober von Sarkozy scheiden ließ, ist Martinon ohne Fürsprecher. Und Cécilias Stiefsohn Jean hatte wohl keine Probleme, den ersten Stein zu werfen. (mhz/AFP)

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