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Politik: Kampfeinsatz light

Von Axel Vornbäumen

In einem Dorf im Süden Afghanistans hat vor kurzem eine Patrouille der internationalen Isaf-Truppe einen jungen Mann vom Galgen geschnitten. Er hat dort schon einige Tage lang gehangen. Die Einheimischen hatten nicht gewagt, den Toten zu bestatten – aus Angst vor den Drohungen der Taliban, in diesem Fall das gesamte Dorf auszulöschen.

Es ist Krieg im Süden Afghanistans, Krieg, gespickt mit geradezu unvorstellbaren Ingredienzen der Menschenverachtung. Es geht um Macht, es geht, je nach Blickwinkel, um die Ausweitung respektive Eindämmung der Kampfzone. Und um Symbolik geht es auch. Wer die Galgenszene unerträglich findet, der wird, womöglich gar aus übergeordneten humanitären Gründen, irgendwann einmal bereit sein, weitere Truppen zu schicken, um dem Terror ein Ende zu machen – es wären Truppen für einen Krieg. Man müsste das dann auch so nennen.

Am heutigen Freitag entscheidet der Bundestag über die Entsendung von sechs Tornadoflugzeugen in eben jene Region. Es wird eine stabile großkoalitionäre Mehrheit dafür geben, sozialdemokratisches Bauchgrimmen und unionschristliche Standhaftigkeit inklusive; beide Fraktionen folgen damit allerdings einem Verteidigungsminister, der gleichsam im gepflegtem Herrenausstattertimbre darüber hinwegflötet, dass der Anzug, nun ja, nicht ganz perfekt passt. Fast greifbar erscheint die klammheimliche Erleichterung des Franz Josef Jung darüber, dass die Bundeswehr-Tornados ihre Aufklärungsbilder leider, leider nicht in „Echtzeit“ liefern können. Das gibt dem Ganzen die gewünschte Aura eines „Kampfeinsatzes light“.

Stell dir vor, es ist Krieg – und keiner sagt, dass er hingeht. Es ist in jüngster Zeit nicht wenig Wortklauberei darum betrieben worden, wie denn nun das Handwerk der Piloten am besten zu benennen sei – gerade so, als hinge die Entscheidung pro oder contra Tornadomandat von der Namensgebung ab. Das allerdings wäre eine unlautere Camouflagetätigkeit, die geradewegs in die Irre führte.

Mittlerweile wird bis in die höchsten Kreise der Bundeswehr hinein eine Diskussion darüber geführt, dass es da letztlich immer noch das „missing link“ gebe, das aus der Bundeswehr mit all ihren friedfertigen Ambitionen irgendwann mal eine „normale Armee“ mache – es ist der Kampfeinsatz. Dass auch die öffentliche Debatte über Kampfeinsätze und ihre, ja, tödlichen Folgen irgendwann kommen wird, war allen klar – nur hätten es die Beteiligten gerne rechtzeitig. Wäre heute nicht der Tag dafür?

Wohlgemerkt: Die sechs Tornados werden den Süden Afghanistans nicht bombardieren, sie werden auch nicht kriegsentscheidend sein, sie werden, womöglich sogar im besten Sinne Jung’scher Argumentation, dabei helfen, die berüchtigten Kollateralschäden zu vermeiden – doch eines werden sie auch: Sie werden weitere Begehrlichkeiten der Nato-Partner wecken. Die bequeme geografische Afghanistanformel „Ihr da unten, wir hier oben“ gilt nun nicht mehr. Warum aber deutsche Soldaten nur am Himmel zu finden sind und sich nicht längst am Boden ins Getümmel stürzen, das ist eine Frage, die besagte Nato-Partner bereits halblaut stellen.

Und warum nicht? Da ist man schnell bei der Sinnfrage der gesamten Operation angelangt. Die vielen guten Argumente, die bis gestern noch galten, wirken sie auf einmal nicht seltsam vorgeschoben, wenn man Soldaten dafür in einen Krieg schicken muss, der militärisch nicht mehr zu gewinnen ist?

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