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Kapitalismuskritik: SPD will aus Finanzkrise lernen

Peer Steinbrück schlägt Regulierung, Börsensteuer und Begrenzung der Boni für Manager vor. Gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier legte der Finanzminister seine "Finanzmarktgrundsätze" vor.

Von Antje Sirleschtov

Mit dem Beginn der weltweiten Finanzkrise haben deutsche Politiker beinaher aller Parteien begonnen, die Überlegenheit der sozialen Marktwirtschaft zu betonen. Dem ungezügelten Markttreiben angloamerikanischer Prägung wurde die Schuld an der Krise zugeschoben. Ludwig Erhard wird seither als ganz besonderes Vorbild gepriesen.

Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, beide Vizevorsitzende der SPD, haben nun einen weiteren Vordenker der sozialen Marktwirtschaft wiederentdeckt: Walter Eucken. Aus Euckens Verknüpfung von Risiko und Haftung als Voraussetzung für das Funktionieren intakter Wirtschaftsprozesse leiten Steinmeier und Steinbrück ihre "Finanzmarktgrundsätze" ab, die sie als "Lehren aus der Krise" verstehen. Mit diesen Grundsätzen soll eine weitere globale Finanzmarktkrise verhindert werden.

Vor dem am kommenden Mittwoch stattfindenden Treffen der Koalitionspartner in Berlin wollen der Vizekanzler und der Finanzminister die Union mit ihren "Finanzmarktgrundsätzen" unter Druck setzen. "Wir müssen jetzt die Lehren aus der Finanzmarktkrise ziehen", sagte Steinmeier am Freitag und warnte davor, konkrete Verabredungen für eine Neuregelung an den Finanzmärkten zu verschieben. Das Zeitfenster dafür sei nur noch klein. Im Kern geht es in den SPD-Grundsätzen um mehr Regulierung für Produkte und Teilnehmer der Märkte, eine schärfere Begrenzung von Boni und Vergütungen für Finanzmanager und eine Börsenumsatzsteuer.

Die Besteuerung von Umsätzen bei Wertpapieren, also Aktien, hatte Steinbrück bereits vor Wochen als Bestandteil des SPD-Wahlprogramms angekündigt. Konkret sollen alle Umsätze an der Börse größer 1000 Euro besteuert werden, und zwar mit 0,5 Prozent des Kurswertes. Steinmeier betrachtet die Einführung der Steuer als "Akt der Fairness", gab allerdings zu, dass es sich bei dem Instrument weniger um eines handele, mit dem man kurzfristige Spekulationsgeschäfte abwenden könne. Vielmehr gehe es um die Einnahmen für den Staatshaushalt, die er auf rund drei Milliarden Euro schätzt. Das Argument, eine solche Umsatzbesteuerung werde den deutschen Finanzmarkt belasten, wies Steinmeier unter Hinweis auf ähnliche Regelungen in angelsächsischen Ländern ab.

Flächendeckende Regulierung und Kontrolle

Mit einer ganzen Reihe von Einzelmaßnahmen wollen Steinmeier und Steinbrück darüber hinaus die Vergütung von Bankmanagern nach oben begrenzen und durch verlängerte Haltefristen bei Aktienoptionen verhindern, dass deren unternehmerische Entscheidungen auf kurzfristige Renditegesichtspunkte im eigenen Interesse abgestellt werden. Abfindungen für Manager sollen zudem in der Höhe begrenzt werden.

Für die Teilnehmer am Finanzmarkt soll eine flächendeckende Regulierung und Kontrolle gelten - national und international. Sowohl Teilnehmer des Marktes als auch Finanzprodukte wollen die Sozialdemokraten reguliert wissen. Und damit Anleger die Risiken der Produkte erkennen können, soll ein "Tüv" für jedes Produkt zum Standard werden. Wenn Banken in Zukunft etwa Hedgefonds Geld leihen, sollen sie Mindestbeteiligungen beim Risiko behalten müssen, sie sollen keine Geschäfte mehr außerhalb der Bilanzen machen und sogenannte Leerverkäufe nur noch stark begrenzt tätigen dürfen.

Der Ordoliberale Eucken ist übrigens nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere durch seine klare Analyse der Staatstätigkeit in der Wirtschaft bekannt geworden. Nach Eucken sei dies "kein quantitatives, sondern ein qualitatives Problem". Der Staat solle ausschließlich Rahmenbedingungen für den Wettbewerb schaffen, allerdings niemals selbst tätig werden. In dieser Hinsicht steht Eucken wohl weniger als Vorbild für den Vizekanzler zur Verfügung. Der nämlich sprach sich am Freitag mehr oder weniger deutlich für staatliche Hilfen beim kriselnden Autobauer Opel aus. Angelehnt an den Begriff von "systemrelevanten Banken", für deren Unterstützung sich die Regierungspartner aus übergeordnetem Interesse einsetzen, bezeichnete Steinmeier Opel als "systemisches Zentrum der Realwirtschaft", dessen Überleben im Markt sichergestellt werden soll.

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