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Kasachstan: Wo die Regierung Bürgerinitiativen gründet

Kasachstans Präsident lässt Stimmen sammeln, um im Amt zu bleiben. Die OSZE sieht sich getäuscht, die Opposition reagiert mit Entrüstung.

Mindestens 200 000 Unterschriften wären nötig gewesen: Nur so kann Nursultan Nasarbajew, der Präsident der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik Kasachstan, die 2012 fälligen Präsidentschaftswahlen absagen und sich die Amtszeit um weitere sieben Jahre per Referendum verlängern lassen. Die dazu erforderliche Initiativgruppe wurde erst am 27. Dezember gegründet, aber sie nahm, am selben Tag noch von der Zentralen Wahlkommission registriert, die landesweite Unterschriftensammlung in rekordverdächtigem Tempo in Angriff. Jetzt hat sie bei der obersten Wahlleitung bereits das Zehnfache des Geforderten abgeliefert: Zwei Millionen Unterschriften. Bei einer Gesamtbevölkerung von nur fünfzehn Millionen auch dies ein Rekord.

Fraglich ist daher nicht mehr, ob die Wahlen durch einen Volksentscheid ersetzt werden, sondern nur noch das genaue Datum dafür. Mit Entrüstung reagierten die ohnehin an den Rand gedrängte Opposition, die das Verfassungsrecht auf freie und faire Wahlen verletzt sieht, und Washingtons Botschaft in Astana. Das Referendum, heißt es darin, sei ein demokratischer Rückschritt. Der scharfe Ton der amerikanischen Demarche hat auch damit zu tun, dass Nasarbajew das Vorhaben auf den Weg brachte, noch bevor der Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zum Jahreswechsel von Kasachstan auf Litauen überging. Denn dieses Amt war ein Vertrauensvorschuss, den vor allem die USA wegen der Menschenrechtsverletzungen und anderer Demokratiedefizite in Kasachstan für verfrüht gehalten hatten.

Westeuropa dagegen hatte auf Wandel durch Annäherung gesetzt und sieht sich jetzt doppelt getäuscht. Denn die Behinderungen von Opposition und kritischen Medien nahmen seither eher zu denn ab und das Klassenziel, das Nasarbajew sich für den OSZE-Vorsitz selbst verordnet hatte – effektives Konfliktmanagement auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR – wurde weit verfehlt. Ethnische Spannungen im benachbarten Kirgisistan wuchsen sich zu blutigen Kämpfen aus, und auch im Gerangel um Berg- Karabach – einer zu Aserbaidschan gehörenden, aber von Armeniern bewohnten Region – rasselten beide Seiten besonders laut mit dem Säbel, als Kasachstan den OSZE-Vorsitz innehatte.

Böse Zungen behaupten ohnehin, Nasarbajew habe den OSZE-Vorsitz vor allem gewollt, um die Kollegen Staatschefs zum Gipfel in Kasachstans Hauptstadt Astana zu holen. Das ist ihm im Dezember – zum ersten Mal nach elf Jahren – auch gelungen. Nasarbajews Gegner vermuten, dass ihm die westliche Kritik daher erst einmal egal sein wird.

Denn schon einmal – 1995 – war Nasarbajew dem Beispiel der Kollegen Despoten in Usbekistan und Turkmenistan gefolgt, hatte die fälligen Wahlen abgesagt und sich die Amtszeit per Referendum für weitere fünf Jahre bestätigen lassen. Und bei den Wahlen 2000 und 2007 hatte er eine Wachablösung durch Änderungen von Verfassung und Wahlgesetzgebung verhindert und sich zudem Zustimmungsraten genehmigt, vor denen selbst der Kreml zurückschreckt: 80 und 90 Prozent. Beim Referendum dürfte er ähnliche Mehrheiten einfahren und den öl- und gasreichen Steppenstaat dann bis 2020 regieren. Wenn die Biologie mitspielt. Nasarbajew wird dieses Jahr 71.

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