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Politik: Kater nach dem Kompromiss

In der SPD formiert sich Widerstand gegen die Gesundheitsreform – nicht nur im linken Flügel

Es hat nicht lange gedauert, bis sie in der SPD gemerkt haben, dass diese Gesundheitsreform alles Mögliche erfüllt – aber nicht ihre eigenen Wünsche. Kaum war das Kompromisspapier der parteiübergreifenden Verhandlungsrunde geschrieben, gaben die ersten Genossen ihren Protest zu Protokoll. Doch anders als noch bei der Revolte gegen die Reformagenda 2010 sind es diesmal nicht allein die üblichen Verdächtigen vom linken Flügel, die unzufrieden sind.

Die sozialdemokratische Kritik am Gesundheitskompromiss speist sich aus zwei Gruppen. Da sind natürlich die Linken, denen vor allem der vermeintliche Sozialabbau nicht passt. Doch auch für andere Denkschulen der SPD ist das Eckpunktepapier nur schwer genießbar. Sie stört vor allem, dass die groß angekündigte Strukturreform des Gesundheitswesens allenfalls ein Reförmchen geworden ist. Sie wollten eigentlich das Monopol der Kassenärztlichen Vereinigungen aufbrechen, für mehr Wettbewerb bei Ärzten, Apothekern und Pharmaunternehmen kämpfen. Das ursprüngliche Regierungskonzept war hier in der Tat radikaler. Dass auf Betreiben der Union und aus Furcht vor den Lobbyisten etliche dieser Vorhaben wieder gestrichen wurden, stört viele Genossen auch vom rechten Parteiflügel. An der Spitze behilft man sich dieser Tage mit dem Hinweis, das sei eben das Wesen eines Kompromisses, da könne man eigene Maximalforderungen nicht durchsetzen.

Doch andere Sozialdemokraten haben weniger Verständnis. An ihre Spitze hat sich offenbar Finanzminister Hans Eichel gesetzt, der am Montag im SPD-Präsidium kritisierte, die Strukturmaßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen gingen nicht weit genug. Deshalb sei er über das Ergebnis „höchst verärgert“, soll er gepoltert haben. „Da wird es noch einige Reaktionen aus der Partei geben“ glaubt auch SPD-Fraktionsvize Michael Müller, der sich trotz seiner Herkunft vom linken Flügel in der Agenda-Debatte hinter den Kanzler gestellt hatte. Er glaube nicht, dass das Konzept eins zu eins übernommen werde, sagt Müller. Ihn stört vor allem, dass die Vormachtstellung der Kassenärztlichen Vereinigungen unangetastet bleiben soll. Zudem sieht er die Lasten der Reform unfair verteilt. Während den Patienten immens in die Tasche gegriffen würde, würden die Leistungsanbieter fast gar nicht in die Pflicht genommen.

Ein erstes Stimmungsbild hatte die Fraktionsführung bereits am Montag bekommen, als von den rund 30 Teilnehmern der Sitzung des erweiterten Fraktionsvorstands zwei Genossen mit Nein stimmten und zwei weitere sich enthielten. „Die meisten anderen haben nur zähneknirschend zugestimmt“, sagte anschließend ein führendes Fraktionsmitglied.

Offenen Widerstand kündigte tags darauf die Parteilinke an. „Da muss nachverhandelt werden“, forderte Linken-Sprecherin Andrea Nahles. „Die Patienten als Gruppe mit der geringsten Lobby müssen zahlen. Pharmaindustrie und Ärzte können frohlocken“, lautete ihr vernichtendes Urteil. „Das ist keine sozialdemokratische Reform.“ Sozialministerin Ulla Schmidt hatte am Montag gemeinsam mit SPD-Generalsekretär Olaf Scholz noch entschieden das Gegenteil behauptet. Doch angesichts der stärker werdenden Kritik werden auch sie bald merken, dass man ein solches Prädikatsurteil nicht einfach per Beschluss vergeben kann.

Markus Feldenkirchen

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