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Papst Franziskus.

© dpa

Katholische Kirche plant zweite Familiensynode: "Sex ist keine Offenbarungsquelle"

Papst Franziskus lädt zur zweiten Familiensynode und ließ vorab erneut einen Fragebogen an Gläubige zum Thema Sex verschicken. Setzt die katholische Kirche ihre Öffnung fort oder verfällt sie wieder in alte Starre?

In der katholischen Kirche geht die Debatte um eine Reform der Familienseelsorge und der Sexualmoral in die zweite Runde. Traditionalisten und Reformfreudige unter den Kardinälen stecken ihre Positionen ab, und Katholiken in Deutschland fragen sich, ob ihre Lebenswirklichkeit eine Rolle spielt – trotz der Beteuerungen von Papst Franziskus, dass „Realismus notwendig“ sei.

Im Oktober lädt Papst Franziskus die Bischöfe seiner Weltkirche zum zweiten Mal zu einer „Familiensynode“ nach Rom ein. Vergangenen Herbst haben die Bischöfe schon einmal über das Thema diskutiert. Zur Vorbereitung fragte der Vatikan vor einem Jahr weltweit die Gläubigen mit einem Fragebogen nach ihrer Einstellung zu Familie und Sexualität und zur gelebten Praxis.

Die Antworten zeigten eine große Kluft zwischen der Lebenswirklichkeit und der katholischen Lehre auf. Nur noch wenige Katholiken richten sich danach, was die Kirche über Paare ohne Trauschein zu sagen hat oder über Verhütung. Die Mehrheit lehnt auch ab, dass Homosexualität immer noch als etwas „Ungeordnetes“ angesehen wird, und dass Geschiedene, die erneut geheiratet haben, von den Sakramenten ausgeschlossen sind.

Der Vatikan möchte wissen, was die Kirche tun kann, damit die Menschen sich ändern

Auch diesmal wurde ein Fragebogen verschickt. Der Vatikan möchte wissen, was die Kirche tun soll, um den Familien und Paaren die katholische Lehre schmackhaft zu machen. Es wird vorausgesetzt, dass die Lehre akzeptiert wird, so, wie sie ist. Wer sich grundsätzliche Veränderungen wünscht, kann deshalb mit vielen Fragen wenig anfangen. Viele Fragen sind zudem schwer verständlich. „Welche humane Pädagogik sollte in Übereinstimmung mit der göttlichen Pädagogik angewandt werden, um besser zu verstehen, was von der Pastoral der Kirche im Hinblick auf das Wachstum im Leben der Paare hin auf eine zukünftige Ehe gefordert wird?“, lautet eine Frage, auf die wohl selbst geübten Katholiken nur Stirnrunzeln einfällt.

Auf den Umgang mit Homosexuellen zielt diese Frage: „Wie richtet die christliche Gemeinschaft ihre pastorale Aufmerksamkeit auf Familien, in denen Menschen mit homosexuellen Tendenzen leben? Wie kann man sich im Licht des Evangeliums um Menschen in diesen Situationen kümmern, und dabei jede ungerechte Diskriminierung verhindern? Wie kann man ihnen die Erfordernisse des Willens Gottes in ihrer Situation deutlich machen?“

„Ich war enttäuscht, als ich die Fragen gelesen habe“, sagt Ute Eberl, die im Berliner Erzbistum die Ehe- und Familienseelsorge leitet. Sie hat an der Synode im vergangenen Herbst in Rom teilgenommen und auch viel Aufbruchstimmung erlebt. Manche Berliner Katholiken hätten positiv auf den Fragebogen reagiert, sie habe aber auch viele erboste und traurige Antworten bekommen, sagt Eberl. Viele Gläubige hätten das Gefühl, dass Türen, die eigentlich geöffnet werden sollten, wieder zugeschlagen werden. Manchen drängt sich der Verdacht auf, es solle alles bleiben, wie es ist, nur besser verkauft werden. „Woran spüren wir eigentlich, dass sich die Synode für unsere Lebenswirklichkeit interessiert?“, zitiert Eberl aus einer Rückmeldung.

„Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“, schrieb Papst Franziskus 2013 in seinem Buch „Freude des Evangeliums“. Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der römischen Glaubenskongregation, konterte kürzlich in der Würzburger „Tagespost“: „Die Lebenswirklichkeit ist keine Offenbarungsquelle.“ Man könne ja wohl nicht „die frivole Lebenswirklichkeit eines Ausbeuters, Drogenhändlers oder Kriegsgewinnlers“ als „unabänderliches Faktum ansehen, an das sich die moralischen Grundsätze anzupassen haben“.

Der Heilige Geist wird es richten

„Dem hörenden Herzen wird die Wirklichkeit nicht zur Offenbarungsquelle, wohl aber zu einer Stimme Gottes, zu einer Äußerung seines Willens durch die ,Zeichen der Zeit‘, die zu tieferen theologischen Einsichten führen können“, sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode vergangene Woche dem Internetportal katholisch.de. Bode wird mit dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und dem Dresdner Bischof Heiner Koch zur zweiten Familiensynode reisen. „Mit einer Alles-oder-nichts-Moral, die jede Abweichung zu schwerer Sünde macht, werden wir kaum Menschen erreichen.“

Die deutschen Bischöfe haben die Ergebnisse der zweiten Fragebogenaktion in einer eigenen Stellungnahme nach Rom weitergeleitet. Darin werben sie für eine „wertschätzende Haltung auch denen gegenüber, deren Lebensführung nicht oder noch nicht den Anforderungen des Evangeliums entspricht“. Sie sprechen sich für eine „moraltheologisch differenzierte Bewertung der verschiedenen Lebensformen“ und auch der Homosexualität aus und mahnen die „Weiterentwicklung der kirchlichen Sexualmoral“ an. Sehr viele Katholiken erwarten, dass sich die Synodalen in Rom auch für eine Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten aussprechen werden. Darin sehen auch die deutschen Bischöfe eine „Schlüsselstelle für die Glaubwürdigkeit der Kirche“.

„Auf der Synode wird sich zeigen, wie die Kirche mit der Tradition umgeht“, sagt Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Es gehe darum, ob die Lehre veränderbar ist oder nicht. Deshalb werde sich auf der Synode vieles verdichten, was für das Pontifikat von Franziskus wichtig sei. Ob Franziskus ein Ziel hat, wohin er die Synode lenken will? Jesuitenpater Bernd Hagenkord glaubt das nicht. Er leitet die deutsche Sektion von Radio Vatikan. Franziskus denke prozessorientiert, nicht zielorientiert. Außerdem vertraue er darauf, „dass es der Heilige Geist schon richten werde“.

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