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Politik: Kein Ende der Gewalt - Menschenrechtsorganisation berichten von Folter und Mord

Indonesiens Präsident Abdurrahman Wahid hatte versprochen, dass bis Ende März in Aceh die Waffen schweigen werden. Stattdessen habe sich die Lage in der Unruheprovinz im Norden der Insel Sumatra noch verschärft, berichten Menschenrechtsorganisation.

Indonesiens Präsident Abdurrahman Wahid hatte versprochen, dass bis Ende März in Aceh die Waffen schweigen werden. Stattdessen habe sich die Lage in der Unruheprovinz im Norden der Insel Sumatra noch verschärft, berichten Menschenrechtsorganisation. Folter und Mord seien weiter an der Tagesordnung. Zwei neue Zwischenfälle würden durch Zeugen belegt. Sie hätten ausgesagt, dass indonesische Soldaten im Norden von Aceh Dorfbewohner vergewaltigten und misshandelten, als sie auf der Suche nach Rebellen der Separatistenbewegung Freies Aceh (GAM) den Ort überfielen.

Bei einem anderen Zusammenstoß zwischen protestierenden Studenten und der Polizei in der Millionenstadt Medan sind zwei Studenten getötet und 17 verletzt worden. Beiden Opfern wurde in den Nacken geschossen. Ein Student sagte aus, dass die Polizei den Zwischenfall provoziert hätte, die Universität stürmte und verwüstete.

Die neuen Enthüllungen über die brutale Gewalt indonesischer Sicherheitskräfte nähren bei Menschenrechtlern und Vertretern der Acehnesen Zweifel, ob die Regierung von Präsident Wahid fähig ist, den seit Jahrzehnten andauernden Konflikt zu lösen. In der Provinz kämpfen Rebellen für einen von Indonesien unabhängigen islamischen Staat.

Mohammad Nazir, Vorsitzender des Referendum Information Center (Sira), einer Organisation, die sich für eine Volksabstimmung nach dem Muster in Ost-Timor ausspricht, appellierte an Wahid, seinen für kommende Woche geplanten Besuch in Aceh abzusagen, falls er nicht ein Ende der gewalttätigen Militäroperationen durchsetzen könne.

Seit Anfang des Jahres wurden in Aceh rund 300 Menschen bei Zusammenstößen mit dem Militär getötet. Lokale und internationale Menschenrechtsgruppen werfen der ersten demokratisch gewählten Regierung in Jakarta vor, dass der Armeeterror seit ihrem Amtsantritt zugenommen habe. In einer Stellungnahme, die von Sira verbreitet wurde, wird Präsident Wahid scharf angegriffen. Er führe die koloniale und gewalttätige Praxis seiner Vorgänger Habibie und Suharto in Aceh fort. Er und seine Militärkommandeure hätten sich bisher nicht zu einer umfassenden Lösung des Konflikts verpflichtet, heißt es in dem Papier. Zudem lehne die Regierung weiterhin das Angebot einer internationalen Vermittlung ab.

Unterdessen wurde in der Provinzhauptstadt Banda Aceh das erste Gerichtsverfahren zu Verbrechen der Armee in Aceh nach tagelanger Unterbrechnung fortgesetzt. Der Prozess begann Ende April. Ein Zeuge sagte aus, dass Soldaten wenigstens 30 Menschen in einem Dorf in West Aceh erschossen und andere schwer verwundet hätten. Die Verwundeteten seien dann später exekutiert worden, berichtete er dem Sondergericht aus zivilen und militärischen Richtern.

Der Zeuge bestätigte auch, dass Oberstleutnant Sudjono, der ranghöchste Angeklagte in dem Prozess, Soldaten befohlen hätte, die Verwundeten standrechtlich zu erschießen. 24 Armeeangehörigen wird vorgeworfen, an dem Massaker an 58 Zivilisten in in West Aceh im Juli vergangenen Jahres beteiligt gewesen zu sein. Sudjono, damals Chef des militärischen Geheimdienstes in der Region, war untergetaucht, nachdem die Anschuldigungen gegen ihn bekannt wurden.

Der Prozess wird als Versuch gewertet, eine politische Lösung des Konfliktes zu finden und eine Abspaltung der Provinz von Indonesien zu verhindern. Forderungen nach einer staatlichen Unabhängigkeit hatte Wahid mehrmals zurückgewiesen, den Rebellenführern jedoch Friedensgespräche angeboten.

Menschenrechtsminister Hasballah M. Saad, der selbst Acehnese ist, wies Spekulationen zurück, dass die jüngsten Zwischenfälle im Zusammenhang mit dem laufenden Gerichtsverfahren stünden, um mögliche Zeugen einzuschüchtern. Der Minister unterstrich den Willen der Regierung, die Verbrechen in Aceh aufzuklären und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.

In der rohstoffreichen Provinz ist die staatliche Ordnung weitestgehend zusammengebrochen, die Wirtschaft liegt am Boden. Erst kürzlich hat der Öl-Konzern Exxon die Rohölförderung gestoppt. Nach Angaben des Unternehmens wird bereits seit Anfang April nicht mehr produziert. Bewaffnete Banden hätten wiederholt Betriebsanlagen des Unternehmens angegriffen.

Michael Streck

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