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Politik: Kein Pardon für junge Kriminelle

Frankreichs neue Regierung will Kinder künftig schon mit 13 Jahren in Untersuchungshaft nehmen

Von Sabine Heimgärtner, Paris

Jugendlichen Straftätern in Frankreich geht es bald an den Kragen – schneller, härter und ohne Pardon. „Null Toleranz“ in Sachen Kriminalität war die Devise des konservativen Parteienlagers bereits im Wahlkampf. Seit die Rechte nach ihrem Wahlsieg im Juni die absolute Mehrheit im Parlament hält, vergeht kein Tag, an dem die Ministerien für Inneres und Justiz nicht neue Vorschriften aushecken, mit denen die gestiegene Kriminalität bekämpft werden soll. Der Senat hat dem so genannten „Loi Perben“, dem nach Justizminister Dominique Perben benannten Gesetzentwurf zur Erweiterung der Kompetenzen der Justiz, zugestimmt. Auch im Parlament wurden die Vorschläge am Mittwochabend in erster Lesung beraten.

Vorbereitet hat das Terrain Frankreichs neuer Innenminister Nicolas Sarkozy, der schon wenige Tage nach Amtsantritt wegen seines Tatendrangs den Spitzn „Kommissar Speedy“ hatte. Der smart auftretende, aber knallharte Konservative machte sich bislang vor allem mit Nacht- und Nebelaktionen nach dem Vorbild amerikanischer Actionfilme einen Namen. „Ab sofort gibt es keine rechtsfreie Zone mehr in Frankreich“, verkündete Sarkozy kürzlich nach einem Blitzeinsatz seiner neu gebildeten „Eingreiftruppen“, die aus Polizisten, den neuerdings seinem Ressort unterstellten Gendarmen, Zöllnern und sogar Finanzbeamten zusammengesetzt sind. 270 schwer bewaffnete Polizisten waren im Morgengrauen mit Blaulicht, heulenden Sirenen und quietschenden Reifen im Pariser Vorstadtviertel Nanterre vorgefahren, einem überwiegend von maghrebinischen Einwanderern bewohnten Problembezirk. Keine Einzelaktion: Auch in den berüchtigten Hochhausstadtteilen von Lyon, Straßburg und Marseille wird gnadenlos zugeschlagen. Nun endlich, so atmen die meisten Franzosen auf, gelten die Trabantenstädte nicht mehr länger als Ganovenviertel. Die Polizei verfolgt vor allem Bandendelikte im Zusammenhang mit Prostitution, Drogenhandel und illegaler Einwanderung, aber auch Kleinkriminalität. „Wir werden die Kriminalität und Unsicherheit künftig an allen Fronten bekämpfen“, verspricht Sarkozy und kann auch die entsprechenden Finanzmittel dafür vorweisen. Der Etat in seinem Ministerium wurde um 5,6 Milliarden Euro für die kommenden fünf Jahre aufgestockt, geplant sind unter anderem 13 500 neue Stellen bei Polizei und Gendarmerie. Unter dem Motto „Null Toleranz“ kann der unerschrockene Minister bereits erste Erfolge vorweisen: Im Juni ist die Zahl der Delikte um knapp sieben Prozent zurückgegangen.

Mit von der Partie der starken Männer ist sein Justizkollege Dominique Perben, der - ebenfalls im Eiltempo - dafür sorgte, dass sich die Erfolge der Polizei auch juristisch niederschlagen. Sein Budget soll um 3,6 Milliarden Euro erhöht werden, vor allem mit dem Ziel, schnell aktionsfähige Stadtteilgerichte mit Laienrichtern und neue Gefängnisse zu schaffen. Gebraucht werden mindestens 7000 zusätzliche Zellenplätze. Und weil der Neubau den obersten Ordnungshütern Frankreichs zu langsam geht, sollen kurzfristig offene Anstalten in geschlossene Häuser umgewandelt werden. In Perbens Gesetzentwurf sind aber auch andere Neuerungen vorgesehen, „Reformen“, die nicht nur den oppositionellen Sozialisten, sondern auch Menschenrechtsorganisationen, Richtern und Sozialarbeitern zu weit gehen.

Zur Bekämpfung der Jugendkriminalität will Perben etwa zulassen, dass Kinder ab 13 Jahren in Untersuchungshaft genommen und vor Gericht gestellt werden, ja sogar, dass Zehnjährige künftig in Polizeigewahrsam genommen werden können. „Ein Skandal, wir lehnen solche repressiven Maßnahmen ab, noch dazu in dieser drastischen Form. Gebraucht werden neue Strukturen in der Jugendarbeit“, erklärte Regis Renard von der Organisation Terres des Hommes.

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